Am Sonntag war es in Chicago klirrend kalt. Eiszapfen hingen von den Dächern, der Vollmond stand hell am wolkenlosen Himmel, vom zugefrorenen Michigan-See her strich ein schneidender Wind landeinwärts, und den wenigen Passanten war zumute, als ob ihnen das Mark in den Knochen und das Blut in den Adern gefriere.
Hill Broggy, ein 54jähriger Fabrikant aus der West Beiden Avenue, ließ sich durch die Kälte nicht davon abhalten, einen nächtlichen Spaziergang durch den Park zu unternehmen. Wenn sich andere Männer seines Alters einen Schlaftrunk gönnten, zog er einen ausgedehnten Spaziergang vor, denn er lebte mäßig und vernünftig und wollte keinen Schlaganfall provozieren. Er hing am Leben und gedachte seinen Erben noch viele Jahre lang das Broggy-Vermögen vorzuenthalten. Sooft ihm dieser Ge¬danke kam, mußte er schmunzeln.
Broggy bog in den Park ein. Er wandte sich nach links, dem Stadion zu, und schickte sich an, die große Rennbahn mit energischen Schritten zu umrunden. Er hörte Schritte halblinks hinter sich im Gebüsch, blieb stehen und wandte sich um. Jetzt waren aber die Schritte verstummt.
„Muß mich getäuscht haben", murmelte er vor sich hin und ging weiter.
Aus dem Gebüsch schob sich der lange, dünne Lauf einer sonderbaren Schußwaffe heraus und richtete sich auf Broggys Nacken. Ein halblauter federnder Schlag wurde hörbar, der in ein kurzes, scharfes Zischen überging. Bro•ggy spürte einen jähen Schmerz im Nacken, verlor das Gleichgewicht und fiel aufs Gesicht. Aber davon bemerkte er bereits nichts mehr. Er war tot.
Die blutrote Spur
- Fall ohne Hoffnung -
von G. W. Jones (= ???)
