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Geschrieben von Habibi am 06.10.2009 um 12:17:

Band 72: Die Ruine des Hexers



Baron de Gascoyne zügelte sein Pferd. Wiehernd bäumte sich der Rappe auf der Hinterhand auf und stand nur einen Meter vor dem Förster Dissot.
"Zum Teufel, Dissot, was ist los?" fuhr der Baron den Mann an. "Fast hätte ich Sie über den Haufen geritten."
Die Lippen des alten Försters bewegten sich, aber es dauerte eine Weile, bis er ein verständliches Wort hervorgebracht hatte. "Dort im Wald ... eine Ruine ... die schwarze Kapelle ..."
Baron Armand de Gascoyne hatte Mühe, sein Pferd unter Kontrolle zu halten. "Was ist los? Hier gibt es keine Ruine." Der Baron war ein leidenschaftlicher Jäger. Er kannte jeden Fußbreit Boden seines Waldes. "Du hast wohl zu tief in die Schnapsflasche gesehen."
"Nein, Herr Baron, im Dienst trinke ich nie. Deshalb bin ich so durcheinander. Sie kennen die Lichtung an der großen Eiche? Dort steht sie, die Ruine. Sie ist schwarz und halb verbrannt. Kein Vogel singt in der Nähe. Ich habe gefroren, als ich die alten Mauern nur ansah. Das ist nichts Natürliches."
Der Baron merkte, daß der Schreck dem Alten tief in den Knochen saß. Er kannte Dissot als einen zuverlässigen Mann. Baron Armand lachte leise und überlegen. "Nun komm schon, Dissot. Wir wollen uns diese Ruine einmal ansehen. Vielleicht hast du eine Halluzination gehabt."
"Eine Hallu . . . Hallo . . . Niemals." Der Förster hatte keine Ahnung, was eine Halluzination war. Vielleicht hielt er es für etwas Unanständiges.
Der Baron hatte sein Pferd beruhigt. Er ritt vom Weg, in die Richtung, die der alte Dissot ihm angegeben hatte. Natürlich kannte er die mächtige alte Elche, die vierhundert Jahre alt war, und auch die Lichtung. Aber eine Ruine hatte dort nie gestanden. Und eine Ruine, ein Gebäude, konnte doch nicht so einfach mir nichts, dir nichts aus der Luft entstehen. Baron Armand war überzeugt davon, daß der alte Förster sich geirrt hatte.

Erscheinungsdatum: 22.03.1977

Autor: Walter Appel







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Geschrieben von Shadow am 04.12.2014 um 19:45:

Das Titelbild stammt von JAD (José Antonio Domingo Bernabéu).

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Erhebe nicht den Anspruch, alles zu wissen – versuche es.


Geschrieben von Olivaro am 29.07.2019 um 22:54:

Ein weiterer guter Roman aus einer sehr fruchtbaren Phase der Serie (die zu diesem Zeitpunkt jedoch fast ausschließlich aus Einzelromanen bestand). Wenngleich Zamorra an seine erste Zeitreise dieses Romans ziemlich naiv herangegangen ist und sich dann wundert, warum seine Hilfsmittel in der Gegenwart zurückgeblieben sind. Natürlich hätte er die Tasche und den Koffer in den Händen halten sollen, damit sie mit ihm ins Jahr 1776 reisen können - und nicht einfach neben sich stehen lassen. Und dummerweise befanden sich er und Nicole genau zu dem Zeitpunkt in der Satanskapelle, als sie vom Mob in Brand gesteckt wurde. Einer jener merkwürdigen Zufälle...

Am stärksten ist der Roman in jenen Szenen, wenn die Brandruine der Satanskapelle sich in der Gegenwart manifestiert und ein Opfer in das Innere lockt. Nach der Tat verschwindet die Ruine wieder und lässt einen geschundenen Körper zurück. Anfangs wird das Geschehen aus der Warte der unbeteiligten Zuschauer geschildert, die sehen, wie das Opfer die Kapelle betritt und nach einem Höllenlärm aus dem Innern und dem Verschwinden der Ruine tot zurückbleibt. Erst der Tod des Bäckers Martin Claireaux wird aus der Perspektive des Opfers geschildert. Nicht irgendwelche Dämonen bringen die bedauernswerten Menschen um ihr Leben, sondern das Innere der Brandruine selbst: Balken, Riegel, Schindeln und Dachsparren erfüllen sich mit unheimlichem Leben und attackieren das Opfer, bis es seinen Verletzungen erliegt. Danach nehmen die Gegenstände die Position ein, die sie nach dem Brand der Kapelle vor zweihundert Jahren hatten. Das ist eine durchaus interessante Variante zum sonstigen Dämonengesindel.

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Nur der Mond schwamm immer noch leuchtend und wunderbar in den unermesslichen Weiten des funkelnden ukrainischen Himmels; ebenso majestätisch atmete die ungeheure Höhe, und die Nacht, die göttliche Nacht verglühte; ebenso schön lag die Erde im verzauberten Silberlicht.

Nikolaj Gogol: Die Mainacht oder Die Ertrunkene

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