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Geschrieben von Horror-Harry am 19.06.2020 um 19:15:

Spinnenhasser

Spinnenhasser

Er wusste, dass sie da war.
Er wusste es noch im gleichen Moment, als er das Zimmer betrat. Seine Augen suchten sie. Da! An der Wand gegenüber, neben dem großen Bild. Eine haarige, schwarze Spinne! Er spürte es immer sofort, wenn eines dieser ekligen, scheußlichen Tiere im Zimmer war.
Er bewegte sich nicht, um sie nicht zu verscheuchen. Während er sie im Auge behielt, suchte er etwas, womit er sie töten konnte. Langsam ging er auf den Tisch zu. Ohne jegliche Hast nahm er die alte Zeitung und rollte sie zusammen. Nur für einige Sekunden hatte er die Spinne nicht beobachtet, und als er wieder zur Wand sah, war sie fort. Doch rasch entdeckte er sie neben dem Schrank.
Langsam näherte er sich ihr. Er musste schnell zuschlagen, damit sie keine Gelegenheit hatte, hinter dem Schrank zu verschwinden. Jetzt war er nah genug. Als er ausholte, bewegte sich die Spinne. Doch zu spät! Die Zeitung sauste nieder und hinterließ einen schmierigen Fleck an der Wand.
Ein panikartiges Gefühl kam in ihm auf, als er die tote Spinne nicht gleich sah. Da! Sie klebte an der Zeitung. Er streifte das tote Tier am Mülleimer ab und warf die Zeitung in den Papierkorb. Er fühlte sich erleichtert. Er konnte es nicht ertragen, eines dieser scheußlichen Tiere im Zimmer zu wissen. Eine Zigarette würde ihm jetzt gut tun. Die Schachtel war leer, doch das machte nichts. Am Ende der Straße gab es einen Automaten, dort konnte er sich neue besorgen. Er streifte sich eine Jacke über und verließ die Wohnung.

Als er in der Dunkelheit die verlassene Straße entlang ging, war ihm, als ob ihm jemand ... etwas ... folgen würde. Er blieb stehen und versuchte, in der Nacht etwas zu erkennen. Aber die Straßenlaternen standen zu weit auseinander und ihr Licht warf zu viel Schatten. Der Vollmond wurde von dunklen Wolken verdeckt. Die Blätter der Büsche und Bäume raschelten im Wind. Es hörte sich an wie geheimnisvolles Flüstern. Vom Kirchturm her schlug es Mitternacht.
Er ging weiter, erreichte den Automaten. Und während er die Brieftasche herausnahm und sie aufklappte, näherte sich ihm etwas Grauenhaftes, Monströses. Eine Ausgeburt der Phantasie, wie man sie sich kaum vorzustellen vermochte. Ein Geräusch ließ ihn herumfahren, und ein Schatten fiel über ihn. Er glaubte, den Verstand zu verlieren. Entsetzen lähmte ihn, er war nicht einmal in der Lage zu schreien. Er sah noch, wie etwas auf ihn zuschoss, und dann nichts mehr. Die Dunkelheit nahm ihn gefangen...

Als er wieder zu sich kam, wusste er im ersten Augenblick weder wo er sich befand noch was geschehen war. Doch die Erinnerung kam schlagartig. Und das Grauen! Dieses schreckliche, alptraumhafte Monstrum!
Und ... wo war er? Was war er?
Er streckte die Arme aus. Das heißt, er wollte es tun, aber irgend etwas stimmte nicht. Sein Körper...
Was war nur mit ihm los? Er versuchte, sich abzutasten. So viele Arme! Oder waren es seine Beine? Panik befiel ihn wieder. Wieso hatte er so viele Gliedmaßen, solch einen haarigen Körper? Wenn er doch wenigstens etwas sehen könnte!
Da! Da schimmerte Licht. Dort musste er hin!
Taumelnd setzte er sich in Bewegung. Ins Licht! Er musste wissen, was los war. Mit jedem ... Schritt (?) kam er mit den Gliedmaßen besser zurecht. Als würde er krabbeln...
Endlich hatte er das Licht erreicht. Und erlebte den nächsten Schock! Vor ihm stand eine Flasche. Es war nichts besonderes an ihr, nur ... sie war so groß wie ein Haus!
Er glaubte, zu träumen. Genau! Das war es! Er lag in seinem Bett und träumte das alles nur! Ein Alptraum. Ein verdammter Alptraum! Er wollte lachen. Aber er konnte es nicht. Den Grund dafür sah er, als er im braunen Glas der Flasche sein Spiegelbild betrachtete.
Eine Spinne! Er war eine SPINNE!
Jetzt war ihm alles klar. Die Spinne, die er getötet hatte, war an allem schuld! Ihretwegen hatte sein Unterbewusstsein einen so fürchterlichen Traum hervorgerufen. Er musste aufwachen, musste...
"Na, was haben wir denn da?" Die Stimme war urplötzlich da.
Er schaute hoch. Ein Mensch! Groß wie ein Berg!
"Ungeziefer!" Plötzlich war der Schuh des Riesen über ihm.
Er rannte, wie er noch nie in seinem Leben gerannt war. Er schaffte es, eine Deckung zu erreichen.
Angst? Ja, die hatte er! Sogar Todesangst! Doch wollte er überhaupt so leben? Im Körper einer Spinne?
Unter lautem Getöse wurden die Kisten zur Seite geräumt. Jetzt war er ohne Schutz. In seiner Panik rannte er in die falsche Richtung. Keine Deckung mehr, keine Chance. Aus! Nirgendwo ein Ort, an dem er sich verstecken konnte.
In seiner Verzweiflung und wegen seiner aussichtslosen Lage blieb er einfach stehen. Es konnte doch nur ein Traum sein. Ein schlimmer Traum. Es musste einfach so sein!
Dass es kein Traum war, spürte er, als er langsam unter dem Schuh zerquetscht wurde...

Seine Leiche fand man am nächsten Morgen. Die Polizei ging davon aus, dass er von einem schweren Fahrzeug erfasst worden war, aber alle Ermittlungen verliefen im Sande. Der Fall wurde ungelöst zu den Akten gelegt.


Geschrieben von Horror-Harry am 19.06.2020 um 19:30:

Diese Kurzgeschichte habe ich im Alter von 20 Jahren verfasst. Sie erschien im Dezember 1987 in der zweiten Auflage des JS-Romans "Nachts, wenn der Wahnsinn kommt".


Geschrieben von iceman76 am 19.06.2020 um 20:15:

Cool!

Mir gefällt die Geschichte! Daumen_hoch Daumen_hoch

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*** Eintracht Braunschweig ***
*** Tradition seit 1895 ***
*** Deutscher Meister 1967 ***
Liest gerade: irgendwas, was mit Grusel zu tun hat!


Geschrieben von Sinclair am 19.06.2020 um 22:16:

Zitat:
Original von Horror-Harry
Diese Kurzgeschichte habe ich im Alter von 20 Jahren verfasst. Sie erschien im Dezember 1987 in der zweiten Auflage des JS-Romans "Nachts, wenn der Wahnsinn kommt".


Den angesprochenen Roman habe ich nur in der 1.Auflage. Daher konnte ich Deine Geschichte nicht kennen. Aber ich finde sie richtig gut. Mein Kompliment. Daumen noch. Daumen_hoch Daumen_hoch Daumen_hoch

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Nordsee oder Ostsee? - Hauptsache Meer !Daumen_hoch Buch
Lieblingsfußballvereine: FC Schalke 04, Holstein Kiel, SV Meppen, FC Hansa Rostock, VfB Oldenburg, VfB Lübeck, Kickers Emden
Sympathien für VfL Osnabrück und FC Erzgebirge Aue.


Geschrieben von kualumba am 20.06.2020 um 16:00:

Auf jeden Fall eine interessante Geschichte

__________________
Einen davon lese ich als nächstes: JS Classics 13, JS TB 10, JS 2210, MX 23, G.F. Unger SE 13, PR 9


Geschrieben von Horror-Harry am 21.06.2020 um 12:19:

Herzlichen Dank für die netten Kommentare. Daumen_hoch
Ich war überrascht, dass die Story hier (optisch) so wenig Platz braucht. Im Heft waren das immerhin zwei Seiten. (Damals gab es noch die Beschränkung, dass die Story auf die doppelseitige "Leserseite" passen sollte).


Geschrieben von JohnSinclairFanClub am 22.06.2020 um 08:38:

Ich fand die Geschichte klasse. Hat bei mir einen nachdenklichen Beigeschmack hinterlassen.
Doch schon ziemlich cool, wie man in so einer kurzen Story eine solche Atmosphäre hinterlassen kann.


Geschrieben von Horror-Harry am 25.06.2020 um 09:25:

Herzlichen Dank für das Kompliment, JSFC.
Mit dieser Geschichte habe ich versucht, meine eigene Arachnophobie zu verarbeiten, was einigermaßen geklappt hat. Ich bekomme keine Panik mehr, wenn sich eine Spinne in meiner Nähe aufhält, aber das erhöht keineswegs ihre Überlebenschance. Nägel großes Grinsen


Geschrieben von Horror-Harry am 20.09.2020 um 02:30:

Würde mich freuen, wenn hier noch etwas an Kritik/Kommentar/Meinung gepostet würde...
Wie würdet ihr euch verhalten, wenn ihr im Körper einer Spinne gefangen wärt? Würdet ihr den Tod begrüßen oder versuchen zu überleben, in der Hoffnung, dass dieser "Alptraum" wieder rückgängig gemacht werden kann?

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