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John-Sinclair-Forum ::: Gruselroman-Forum » Taschenbücher und die Phantastische Literatur im Buchformat » Bücher » Festa » H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens » Band 09: Robert W. Chambers - Der König in Gelb
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Wynn Wynn ist männlich
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Dabei seit: 07.03.2017
Beiträge: 1639

10.03.2017 12:46
Band 09: Robert W. Chambers - Der König in Gelb
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Der König in Gelb erzählt von einem furchtbaren Buch, das jedem, der darin liest, Wahnsinn und Tod bringt - die Vorlage zu H. P. Lovecrafts Necronomicon.

Lovecraft verehrte Robert W. Chambers sehr, diesen Meister des Phantastischen, der "beachtliche Gipfel der kosmischen Furcht erklomm".

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Wynn Wynn ist männlich
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Dabei seit: 07.03.2017
Beiträge: 1639

10.03.2017 12:53
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ANMERKUNG: Diesen Essay habe ich für mein Phantastikon geschrieben, ich besitze also die Rechte. (Nur für den Fall.)

Die Sammlung seltsamer Jugendstil-Geschichten des amerikanischen Autors Robert W.Chambers, blieb nahezu für ein ganzes Jahrhundert ein ungelesenes Buch. Die erste Hälfte des Buches besteht aus vier unheimlichen Geschichten, die, außer der losen Verbindung des Königs in Gelb, nichts miteinander zu tun haben.

Der König in Gelb ist ein Buch, das jeden, der es liest, in den Wahnsinn treibt. Chambers‘ Sammlung war für damalige Verhältnisse seiner Zeit weit voraus. Sie ist einer der ersten literarischen Metatexte, einer Form, die bei so verschiedenen Autoren wie Franz Kafka, H.P. Lovecraft und Vladimir Nabokov Verwendung fand. Das Spiel mit Andeutungen, der literarische Isis-Schleier wurde hier geboren. Im letzten Jahr (2014), wurde dieses Buch, das zum Zentrum der HBO-Serie „True Detective“ avancierte, an die Spitze der Amazon-Bestsellerlisten katapultiert. Aber auch in dieser ersten Staffel bleibt der König in Gelb ebenso ungesehen wie im Buch. Aufreizend angedeutet zwar, aber nie aufgedeckt.

„True Detective“ ist ein düsterer, existentieller Neo-Noir-Stoff, der zahlreiche Hinweise auf den König in Gelb ausstreut. Angesiedelt ist der Mehrteiler im Louisiana Bayou. Die Detectives Rust Cohle und Martin Hart jagen einen Serienmörder, bekannt als der Gelbe König. Die Referenzen an Chambers Werk sind mannigfaltig, ob es sich nun um Symbole handelt, die auf den Leichen hinterlassen werden oder um direkte Zitate, die in den Dialogen vorkommen (Rust Cohle werden dabei jedoch hauptsächlich Sätze aus Thomas Ligottis „The Conspiracy Against The Human Race“ in den Mund verfrachtet). Auch finden die beiden Detectives ein Notizbuch, in dem Texte aus Der König in Gelb stehen. Selbst das Wall Street Journal hat einige Artikel veröffentlicht, die sich auf die Verbindung zwischen Buch und Serie beziehen. So blieb das literarische Phänomen nicht aus: ein Buch, hundert Jahre nach seiner Veröffentlichung, wird zum Bestseller und greift um sich wie ein Virus.

Dennoch bleibt die grundsätzliche Frage nach dem Warum dieses merkwürdigen Erfolges. Die Antwort dürfte in dem liegen, was Lovecraft sagte. Es geht um die Kraft, mit der ein Mythos gezeichnet wird: Geschichten, die ein literarisches Universum miteinander teilen, definiert von der unerklärlichen Furcht vor äußeren, unbekannten Kräften des unauslotbaren Raums.

In Brooklyn 1865 geboren, war Robert W. Chambers ein in Paris ausgebildeter Schriftsteller, der dutzende Romane und Sammlungen in den unterschiedlichsten Genres veröffentlichte. Seine größten Erfolge aber hatte er mit Romanzen und seinen Erzählungen im Bereich des Übernatürlichen. Obwohl Chambers den Leser nie mehr sehen lässt als ein Bruchstück, deuten seine Geschichten doch an, dass sie sich einer ähnlichen Handlung bedienen wie Poes „Maske des roten Todes“. Wie in Poes Erzählung scheint der König In Gelb eine Larve zu sein, die sich unter den dekadenten Adel mischt, eine schreckliche Gestalt, von der man nicht sicher sein kann, ob sie nun eine Maske trägt oder nicht. Noch bizarrer hingegen wirkt Carcosa, eine verfluchte Stadt in einer fremden Welt.

Aus heutiger Sicht ist das Bemerkenswerteste an Der König in Gelb nicht der literarische Wert der Geschichten. H.P. Lovecraft, der stark beeinflußt war von Chambers‘ Arbeit, nannte ihn einen „gefallenen Titanen“, der mit guter Bildung und Herkunft ausgestattet, dennoch unfähig blieb, diese zu nutzen. Die beste Geschichte im König in Gelb ist „Der Wiederhersteller des guten Rufes“, eines der großen Beispiele eines unzuverlässigen Erzählers. Der Rest ist bestenfalls Durchschnittskost. Dennoch war Der König in Gelb in einer weiteren Sache bahnbrechend: 27 Jahre bevor H.P. Lovecraft sein Necronomicon ersann, enthüllte Chambers‘ „Zauberbuch“ unwiderstehliche Wahrheiten über den Kosmos all jenen, die mutig genug waren, es zu lesen. Es hat zu allen Zeiten Autoren gegeben, die fiktive Bücher erfanden, aber keiner ist dabei so weit gegangen, um deren Existenz glaubhaft zu machen. Nach S.T. Joshi, einem Literaturkritiker und führender akademischen Figur, der eine Studie über phantastische Geschichten schrieb, baut True Detective auf die Kraft einer Idee, die seit mehr als einem Jahrhundert gewachsen ist.

Zitat:
„Mit Der König in Gelb stellt Chambers eine flüchtige Verbindung zwischen Geschichten her, die ansonsten nichts miteinander zu tun haben. Er tut das auf eine sehr indirekte Weise, tröpfchenweise, und hat somit viele spätere Schriftsteller mit dem fasziniert, was er nicht schrieb.“


Das macht den Mythos als literarische Form so gewaltig. Es gilt, damit einen fruchtbaren Boden für künftige Autoren zu schaffen.

Zitat:
„Schriftsteller wie Chambers waren sehr zurückhaltend, wenn es darum ging, jedes Detail des Universums, das sie entworfen hatten, auszuarbeiten, während sie gleichzeitig darum bemüht waren, zu erklären, dass da noch so viel mehr unter der Oberfläche lauert.“


Sagt der Lovecraft-Experte Joshi.

Zitat:
„Es ist dieser Mangel an Definition, das anderen Autoren erlaubt, die Lücken zu füllen, die Themen und Ideen für eine neue Zielgruppe neu zu interpretieren.“


Das ist es, was True Detective mit dem König in Gelb so faszinierend macht. Während Chambers mit nur ein paar Dutzend Sätzen seinen Mythos skizzierte, nutzt die Idee des gelben Königs unsere existentiellen Ängste, unsere Zurechnungsfähigkeit, unsere Handlungsfähigkeit und unseren Platz in einem Universum, dass sich nicht im mindesten um uns schert. Mehr als die spezifischen Handlungsdetails der Geschichte selbst, ist es der Abgrund, den die Protagonisten von True Detective untersuchen. Blickt man in Cohles Augen, sieht man die unausgesprochene nihilistische Verzweiflung. Man sieht dort gespiegelt die Seele eines Mannes, der den König in Gelb gelesen hat – nicht als billiges Taschenbuch, sondern geschrieben auf den Seiten unseres modernen Lebens. Ob es da unten im Abgrund wirklich einen Gelben König gibt, ist dabei völlig nebensächlich.

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Waldfee Waldfee ist männlich
Koenig




Dabei seit: 17.07.2013
Beiträge: 795

11.03.2017 18:22
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Sehr schöner und wohldurchdachter Artikel! Vielen Dank dafür.

Da die TV-Serie hier öfter Erwähnung findet: Die erste Staffel von True Detectives ist natürlich nichts weniger als ein Meisterwerk. Allein die Darbietungen von Woody Harrelson und - vor allem - Matthew McConaughey heben die zehn Folgen weit über übliches TV-Niveau hinaus. Der König in Gelb ist dabei letztlich ein schöner Nebeneffekt: Wenn jemand aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis die Serie geschaut hat, waren diese ebenfalls sehr davon angetan, allerdings kennt von denen keiner Chambers' Werk. Der Fernsehmehrteiler funktioniert offenkundig also auch ohne Kenntnis des Mythos. Für denjenigen, der mit Chambers Schöpfung vertraut ist, wirkt freilich bereits die Erwähnung von Carcosa oder des Königs in Gelb zusätzlich elektrisierend.

Ein Teil der in diesem Band enthaltenen Geschichten erschien in anderer Übersetzung bereits 1982 in der Bastei-Reihe Phantastische Literatur (siehe hier: https://www.gruselromanforum.de/thread.php?threadid=13255&sid=).
Du erwähntest es bereits an anderer Stelle und es gilt auch hier: sobald die Festa-Bücher beim Verlag vergriffen sind, muss man dafür leider tiefer in die Tasche greifen. Es gibt zwar auch hier noch eine Taschenbuchausgabe aus dem Blitz-Verlag, aber wenn ich richtig unterrichtet bin, enthält dieser Band lediglich "Buch Eins" der Festa-Ausgabe und "Buch Zwei", Das Mysterium der Vorlieben fehlt bei Blitz.

__________________
"Rosebud" C.F.Kane

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