Sonst fressen dich die Raben!
von Catalina Corvo
Statt direkt die Suche nach Volkart fortzusetzen oder zu beginnen, fängt der Roman mit einer neuen wichtigen Szene aus Cocos Vergangenheit an, die komischer Weise bis jetzt nie zur Sprache kam. Als junges Mädchen wird sie während eines Angriffs von Raben aus der Villa entführt. Wer auch immer damit zu tun hat, es muss ein mächtiger Gegner sein. Nicht nur kann er die Schutzzauber am Gebäude umgehen, sondern auch alle Anwesenden bannen, damit sie nichts unternehmen. Als Coco später einfach wieder mit einer Gedächtnislücke auftaucht, schafft man es nicht, herauszufinden, was in dieser Zeit passiert ist.
Die erwachsene Coco entdeckt auf dem Bordstein vor dem Café einen Raben, der ihr seltsam vorkommt. Schnell spurtet sie nach draußen, um ihn kurz zu inspizieren. Der Vogel ist davon nicht begeistert und Coco wird von einer Rabenschar attackiert. Die Viecher versammeln sich in einer Unzahl vor dem Café. Mich wundert eher, warum keiner von Cocos Gegnern (eigentlich außer Georg jeder einzelne Dämon in Wien) jemanden abgestellt hat, der das Gebäude rund um die Uhr im Blick behält und nur darauf wartet, dass die Hexe nach draußen tritt, um sie zu töten oder wenigstens zu ergreifen. Coco ist nicht nur mehr denn je eine Erzfeindin der Schwarzen Familie. Sie sitzt auch mitten in Wien in einer neutralen Zone, wo man ihr nichts antun kann oder darf. Das muss die blanke höhnische Provokation für Asmodis und Konsorten sein. Ich bleibe dabei, die ganze Café-Sache ist eine dumme Idee. Klar, die Hauptheldin hat jetzt eine sichere Basis für ihre Abenteuer. Aber es lässt sich einfach nicht ohne Logikfehler umsetzen, dass alles außerhalb eine Todeszone für sie ist. Würde man das durchziehen, es würde Coco zu stark begrenzen.
Nach dem Vorfall mit den Vögeln erscheinen mysteriöse Kapuzengestalten und überreichen Coco ein Pergament mit Siegel. Als sie wieder gehen, verschwinden auch die Raben. Coco kümmert sich nicht direkt um die Sache und am nächsten Morgen sind die Vögel wieder da. Sie belagern das Cafe, greifen Menschen und Dämonen an. Coco versucht das Siegel zu entschlüsseln, vergeblich.
Da taucht Skarabäus Toth persönlich im Cafe auf. Er hält sich an den Deal, sie hier nicht anzugreifen. Aber eigentlich macht es keinen Unterschied, ob er als Quest- und Stichwortgeber vor der Villa oder im Cafe antanzt. Er weiß nicht nur, dass Coco das Pergament erhalten hat, er berichtet ihr darüber hinaus, dass es das Siegel von Osiris ist. Und dass Volkart schon einmal damit zu tun hatte.
Spoiler, hat Volkart nicht. In seinem gesamten Vergangenheitsrückblick wird das Siegel nicht ein einziges mal erwähnt. Das ist nur ein misslungener Aufhänger, um Gegenwart und Vergangenheit zu verbinden. Was Toth vermutlich meint, ist dass Volkart mit dem Osiris-Thema allgemein zu tun hatte.
Den Zamis verschlägt es nämlich bei seinen Recherchen zu Osiris nach Berlin, weil Toth ihm den Tipp gibt. Wie üblich wird Berlin extrem klischeehaft und „übertrieben“ dargestellt. Dieses mal lasse ich es durchgehen, Berlin entspricht in der Realität ziemlich den Klischees. Dennoch mag ich diese „Reiseabenteuer“ bei CZ nicht. Dabei liefert der DK doch so eine gute Vorlage, wie man es richtig macht. Volkart will hier mehr über das Alte Ägypten herausfinden, kann jedoch keine Informationen über Osama Iris zusammentragen. Toth hat wohl vergessen ihm zu sagen, dass das nur der Deckname von Osiris ist und er ist auch nicht von selbst darauf gekommen. Aber wären die zahlreichen Details zu Osiris glaubwürdig? Sie wurden schließlich von einfachen Menschen zusammengetragen, die den Dämon aus dem Erdinneren für einen Gott hielten.
Bei seinen Nachforschungen lernt Volkart immerhin die süße Studentin Pythia kennen. Erfreulicher Weise ohne die üblichen Passagen. Er könnte sie einfach hypnotisieren, um sie gefügig zu machen und sie danach hart durchficken. Oder so. Er verhält sich bisher eher nett, erinnert an seine Schwester. Im Serienverlauf sind dem Leser einige Charaktere begegnet, die der Hexe ähnlich sind. Der Aufmacher, dass Coco so etwas besonderes ist und das total einmalige Weiße Schaf in der Schwarzen Familie stimmt längst nicht mehr. Wenn Cocos Guthexentum auch sehr extrem ausgeprägt ist, das stimmt.
Über Pythia kommt Volkart an einen Professor, den er hypnotisiert und sich Fachliteratur zu Osama Iris bringen lässt. Was für ein Zufall, dass gerade dieser Prof Nischenwissen über den Dämon hat. Eher Geheimwissen, dahinter steckt mehr. Eine Art Kult. Zufällig findet auch direkt ein Schwarzer Sabbath statt. Nur echt mit Mädchenopfer und Dämonen, die sich mit Sterblichen vergnügen. Hier offenbart der Hexer sich und muss sich gegen die Kultisten zur Wehr setzen. Zum Glück handelt es sich nur um Menschen und schwache Ghouls. Die Kette setzt sich fort, über den Anführer des Kults stellt Volkart Kontakt zu Abdelhamid Ibrahim Pascha her. Der steckt hinter dem Kult und könnte eine entscheidende Spur zu Osiris sein. Oder wie auch immer er sich nennt. Seinen lächerlichen Tarnnamen brauche ich nicht.
Nach einer Prüfung wird Volkart Teil des echten Kultes um Osiris. Bestehend aus starken Dämonen und Hexern. Und während andere Mitglieder Monate oder gar Jahre auf die zweite Prüfung warten müssen, wird Volkart ihr direkt unterzogen. Weil Pascha großes mit ihm vor hat. In einer wirklich gut geschriebenen Szene erlebt er sozusagen rückwärts den natürlichen Verfallsprozess von Staub zu einer frisch einbalsamierten Mumie. Der Kult des Osiris ist mit seinem Todesmotto passend auf Osiris zugeschnitten und stimmig beschrieben.
Schließlich offenbart Pythia sich als Sterbliche, die von Osiris persönlich gesegnet wurde. Das erklärt einiges, zum Beispiel dass Volkart von seiner „Zufallsbekanntschaft“ gezielt auf die entsprechenden Wege geleitet wurde, um jetzt hier anzukommen. Und auch, warum er sich ihr gegenüber nicht wie bei CZ üblich als sadistischer Arsch verhalten durfte. Sie hätte ihn fertig gemacht und das hätte den Plot blockiert. Ich bin dankbar dafür, jede Seite ohne sexistische Szene ist eine gute Seite.
Dass die Geschichte sich so schnell entwickelt ist Schade. Allein dieses Abenteuer in Berlin hätte Stoff für einen Band mit seinen zwei Geschichten gegeben. Es geht jetzt alles Schlag auf Schlag, an einem Abend. Man hätte aus dem Berliner Kult und seinem „Marionettenunterkult“ aus Sterblichen und niederen Dämonen mehr machen können.
Pythia kann als Auserwählte nicht nur frei im Jenseits umher reisen und dann wieder in die Welt der Lebenden zurück kehren. Sie lebt auch ewig, indem sie den Menschen sozusagen ihre Seele aussaugt.
Und Volkart ist natürlich wichtig für den Kult, weil seine Bande zu Demian so stark sind oder waren. Dabei gibt es sicher viele Dämonen mit verstorbenen Geschwistern, die eine sehr enge Beziehung hatten. Ist der entscheidende Punkt, dass Demian von Osiris geholt wurde? Für Volkart erfüllt sich sein Wunsch schneller als erhofft. Mit Hilfe des Kultes gelangt er ins Jenseits, wo er Kontakt zu seinem Bruder herstellen kann. Der ist hier gefangen und leidet Qualen. Weitere Einblicke erhält der Leser nicht, man bleibt klassisch. Auf der anderen Seite gibt es zum Finale eine Auseinandersetzung zwischen Pythia und Pascha. Die üblichen inneren Streitereien eines mystischen Geheimbundes. Pascha kann ihr verdorbene Seelenenergie zuführen und das war es dann auch schon mit der Auserwählten des Osiris. So richtig rund fühlt sich das nicht an, wollten die Autoren schnell alle Fäden kappen und die Sache mit dem Kult abschließen?
Volkart jedenfalls gelingt es gerade so, in seinen Körper zurück zu kehren. Er weiß jetzt, dass sein Bruder noch irgendwie existiert und es ihm nicht gerade gut geht. Aber was soll er damit anfangen? Erst einmal geht es zurück nach Wien, wo er Toth brav alles ausführlich erzählt. Wieso? Einfach, damit er es Coco und dem Leser berichten kann. Nach diesem Erlebnis war Volkart verschlossen und trug die Ausstrahlung des Wahnsinns in sich, die Dämonen so hassen. Aber er war keineswegs irre, die Eindrücke auf der anderen Seite haben vielmehr seine Aura verändert.
Nun muss man nur noch den Bogen zur aktuellen Handlung schlagen. Das Siegel ist eine Todesbotschaft. Und neben Coco haben auch Michael Zamis und Toth selbst eines erhalten. Eine Woche haben sie, bis sie sterben werden. Aha. Toll. Diese Art Handlung hatten wir schon. Coco im Kampf gegen die Zeit, weil sonst ihr oder ihrem Umfeld etwas ganz schlimmes passieren wird. Wie einfallslos!
Das passt auch nicht wirklich zusammen. Das Vergangenheitsabenteuer von Volkart hat Catalina Corvo ordentlich geschrieben. Der Todeskult ist interessant, seine Aspekte in Verbindung zu ägyptischer Mythologie sehr stimmig. Pythia ist ein schöner Charakter, Schade dass sie direkt wieder aus der Serie geschrieben wurde. An einigen Stellen hapert es an der Logik. Was ich von Osiris als Gegner halten soll, weiß ich immer noch nicht.
Und bei Coco? Mhh, mal schauen. Die muss sich jetzt mit Toth und ihrem Vater zusammen raufen, um einen gemeinsamen Feind zu besiegen, bevor sie alle sterben. Oder so. „Es bedeutet, dass Sie innerhalb einer Woche sterben werden. Osiris Todesboten überbringen nicht nur das Siegel, sie verrichten die schmutzige Arbeit auch selbst.“. Reichlich wage. Sitzen die Kapuzenkerle jetzt sieben Tage herum und trinken Kaffee, um ihre Ziele dann am achten Tag zu töten? Was bringt der Zeitaufschub eigentlich, wenn sie danach sowieso sterben müssen? Stirbt man durch einen Zauber oder Fluch aus der Ferne oder wird man direkt ermordet? Wenn Toth die Bedeutung des Siegels kennt – woher auch immer – wieso kennt er dann keinerlei weitere Details?
Am Ende wird Coco Osiris besiegen und durch ihre Mithilfe zähneknirschend ihren Todfeind-Status verlieren. Wie jedes mal. Coco wird seit Band 1 von der Schwarzen Familie gehasst und baut seit bald 35 Bänden nur Scheiße, schlängelt sich aber durch alles hindurch. Das ist wie bei DH, wenn Coco einem Dämon versprochen ist, Dorian verzweifelt und am Ende landet sie doch wieder in seinen Armen. Wobei, bei DH habe ich mehr Hoffnung, dass diese Plotstruktur mal durchbrochen wird. (Jetzt merke ich, dass ich das in meiner vorherigen Rezi ja schon geschrieben habe...)
(7 von 10 Freaks)
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