In ein Opfernetz verschnürt, die Hände auf dem Rücken zusammengenagelt, versank der Körper der Inka-Prinzessin in den Fluten. Zum Orinoco trieb sie, den Fluß hinunter. Sie war nicht tot, wenn sie auch den Silbernagel nicht spürte, der ihre Hände zusammenhielt, und. nichts von ihrer Umgebung wahrnahm, von den Schrecken und Gefahren des Flusses. Die Stromschnellen, Piranhas und Kaimane konnten ihr nichts anhaben. In einer magischen Sphäre glitt Machu Picchu dahin, trieb hinaus ins offene Meer. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, denn sie träumte von einem Glück an der Seite Dorian Hunters, des Mannes, der als der Dämonenkiller bekannt war. Die Küste entlang trieb Machu Picchu gen Süden, mit dem Brasilstrom ums sturmumtoste Kap Hoorn, in den Pazifik und in die schöne Südsee. Sie schlief und träumte vom Leben und vom Glück.
Denn der Traum war Leben, das Leben ein Traum.
* * *
Machu Picchus Körper trieb durch das Meer, umspielt von bunten Fischen der Südsee. Sie war schön wie eine schlafende Göttin, und die magische Aura vertrieb die Räuber der See. Nur die bunten schönen Fische durften sie begleiten.
Die träumende Prinzessin näherte sich einem farbenprächtigen Korallenriff. Sie glitt durch eine schmale Rinne in die bunte Wunderwelt des Atolls. Alle Farben hatten die Korallen. Algen, Tang und Unterwasserfelsen wuchsen hier auf den Korallenstöcken und dem Meeresboden.
Klar und unbewegt war das Wasser, durchflutet von der südlichen Sonne. Seesterne und Muscheln, Seeanemonen und Austern gab es, Schnecken, Garnelen und Hummer, violettrot, grün, orange und schwarz. Kleine Garnelen schillerten in allen Regenbogenfarben. Polypen gab es, Korallen- und Papageienfische, Röhrenwürmer mit pfauenaugenartigen Kiemen. Der mörderische Barracuda floh, als er die Schlafende sah. In dieser Wunderwelt kam sie zur Ruhe und träumte ihren Lebenstraum an der Seite des Dämonenkillers in Rio. Bunte Fische umkosten ihr lächelndes Gesicht.
Da näherte sich ein Boot. Ein schwarzhaariges Mädchen ruderte durch die Lagune zu Machu Picchu. Sie entkleidete sich bis auf einen knappen Bikini, tauchte hinab zu der Schlafenden und legte ein Tau um ihr Fußgelenk. Dann stieg sie wieder hoch ins Boot, ruderte auf den weißen, von Palmen gesäumten Strand der Atollinsel zu, summte ein Lied und genoß die Sonne, die herbe Salzwasserluft und die leichte Brise auf der nackten Haut.
Die Träumende, emporgestiegen im Wasser, folgte dem Boot und lächelte sanft im Schlaf.
* * *
In der versteckten Lagune des Atolls blieb sie stehen. Hier schwamm Machu Picchus Körper, der Leib der Inka-Prinzessin, die ihre einzige Verbindung zu Dorian darstellte.
* * *
Coco ging zur versteckten Lagune. Hier schwamm Machu Picchus realer Körper. Er war mit einer Schnur festgebunden.
Das schwarzhaarige Mädchen blieb stehen und starrte den leblosen Körper der Inka-Prinzessin an. Sie war tot; sie war freiwillig auf dem Leben geschieden. Machu Picchu war Cocos einzige Verbindung zu Dorian gewesen.
Coco setzte sich und schloß die Augen. Nach einigen Minuten stand sie auf, löste die Schnur und sah zu, wie Machu Picchus Körper von den Fluten verschlungen wurde. Als der Körper nicht mehr zu sehen war, drehte sie sich um und ging langsam zu Olivaro zurück.