Als der erste Professor Zamorra am 2.7.1974 in Heftform erschien, wusste noch niemand, dass hinter dem Sammelpseudonym Robert Lamont in Wahrheit Susanne Wiemer steckte, die damit den Grundstein für eine der langlebigsten Heftserien legte, natürlich nicht, ohne dass Helmut Rellergerd, Vater von John Sinclair, sich das Format ausgedacht haben soll. Zwar wird ihm die Erfindung von Zamorra angedichtet, allerdings kann sich weder er noch der Verlag daran erinnern, dass das wirklich so gewesen ist, und so bleibt das bis heute reine Spekulation.
Susanne Wiemer, die später noch eine Handvoll anderer Zamorras schreiben sollte, zeigt hier, dass sie die Hälfte ihrer männlichen Kollegen locker an die Wand zu schreiben vermochte, nicht nur was die Qualität ihrer Sprache betrifft. Nebenbei ist Das Schloß der Dämonen auch noch ein fein komponierter Gruselroman und einer der besten Erstlinge überhaupt. Es war die gute alte Zeit der gemalten Cover; auf der anderen Seite der großen Teiches machte sich gerade ein Mann daran, zur Legende zu werden, indem er mit einem Buch über ein Mädchen mit telekinetischen Kräften debütierte: Carrie; auf der Straße dominierten Mädchen in Miniröcken, kurz: die Welt war noch in Ordnung.
Der Roman beginnt folgendermaßen:
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“Fackelschein geisterte über die Wände. Feuchte, modrige Kälte hing in der Luft, der Geruch nach Leder, rostigem Eisen und nassem Gestein.†|
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Besser kann man sich das nicht wünschen.
Tatsächlich wohnen wir einer Folterszene bei und es dreht sich von Beginn an um das berühmte Amulett, das Zamorra bis heute begleitet und ziemlich viel kann. Der auf der Streckbank ist der Onkel von Zamorra, Louis de Montage, letzter direkter Nachkomme von Leonardo de Montagne, Erbauer von Château Montagne (das eigentlich Château de la Montagne heißen müsse, aber dann wohl mit dem Palast auf der karibischen Insel St. Kitts verwechselt worden wäre), dem man den Beinamen “der Schreckliche†gegeben hatte. Derjenige, der ihn wahrlich “ausquetscht†ist Dr. Ramondo, denn er will das Amulett und seine Macht. Nur wo ist es? Louis schweigt, bis ihm eine Idee kommt. Er schickt Ramondo zu einer Kammer, die mit einer Tür, auf der das Wappen der Montagnes prangt, verschlossen ist. Dort erlebt der sein blaues – oder feuriges – Wunder, als sich Feuersäulen verdichten und zu grinsenden Gerippen werden. Mit knapper Not entkommt er den Dämonen und flieht aus dem Schloss. Die Feuerdämonen sind über das durch die Lappen gegangene Opfer wütend und machen sich über Louis her.
So kommt es, dass Zamorra zur Testamentseröffnung seines Onkels von New York (wo er aus beruflichen gründen zu dieser Zeit lebt) in das Loire-Tal reisen muss, bei der außerdem seine Tante Anabel de Montagne und ihr Vetter Charles Vareck anwesend sind. Vareck wird hier gleich als das schwarze Schaf der Familie eingeführt, Pleite und wenig solide.
Als wir Zamorra zum ersten Mal begegnen, ist auch Nicole Duval bereits dabei, noch nicht als Geliebte und Partnerin im Kampf gegen Dämonen, sondern als seine Sekretärin, die über die Arbeit des Professors , die sich mit dem Übersinnlichen befasst, ihre hübsche Nase rümpft. Auch Bill Fleming, Zamorras Freund und Fachkollege wird bereits erwähnt, spielt aber in der Geschichte keine aktive Rolle. Außer dass er durch und durch Amerikaner ist und seinen Whisky gerne mit Wasser pantscht, erfahren wir nichts.
Ein bisschen Frankenstein-Atmosphäre stand 1974 hoch im Kurs, ein verrückter Wissenschaftler übte eine Faszination aus, der sich damals kaum ein Autor entziehen konnte. In diesem Fall wird das Erwecken eines toten Mädchens als Motivation für Dr. Ramondo genommen, denn ohne das Amulett will ihm in seinem Labor einfach nichts gelingen. Woher er überhaupt von diesem Artefakt weiß, wird hier nicht erwähnt. Allerdings arbeitet er in Sichtweite des Schlosses der Montagnes und wird es wohl irgendwie herausgefunden haben.
So kehrt Zamorra also nach sieben Jahren wieder ins Château zurück, wenn auch unter unguten Voraussetzungen. Im Dorf angekommen, erkundigt er sich kurz auf dem Kommissariat nach dem Mord an seinem Onkel, aber außer, dass er von seinem Butler Rafael Bois verbrannt aufgefunden wurde und dass man sich über das Schloss Geistergeschichten erzählt, kann er nichts in Erfahrung bringen.
Als Zamorra auf Montagne ankommt, schildert er uns seine erste Impression von dem imposanten Bauwerk:
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“Immer noch umschlossen die Wälder das alte Gemäuer wie ein dichter Ring. Immer noch war der ausgetrocknete Graben ein ungestörtes Revier für Unkraut und Gestrüpp, immer noch schien die Zugbrücke mit den schweren rostigen Ketten zu funktionieren, und immer noch wirkten die Spitzen des eisernen Fallgitters wie eine stumme Bedrohung. Ein alter Ziehbrunnen bildete die Mitte des gepflasterten Hofes. Die Ringmauer war halb verfallen, aber die Türme standen noch, ragten schwarz und schweigend in den karmesinroten Abendhimmel. Hinter den Fenstern des Westtraktes brannten Lampen, der Widerschein mischte sich mit dem ungewissen Licht der Dämmerung, und der ganze Komplex schien erfüllt zu sein von tiefen, rätselhaften Schatten.†|
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Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: das ist mehr, als man von einem Heftroman erwarten kann, was Susanne Wiemer hier abliefert.
Während sich alle zur Testamentseröffnung einfinden, warten alle noch auf Charles, doch der ist unterwegs Dr. Ramondo und seinem Diener in die Hände gefallen, wird hypnotisiert und auf sie Suche nach dem Amulett angesetzt. Da haben wir das zweite große Thema dieser Zeit: Hypnose.
Als Zamorra sich in die Bibliothek begibt, um sich nach Chroniken und Berichten über die Familiengeschichte umzusehen, sucht er vor allem einen Absatz über Leonardo de Montagne, der ihm noch von früheren Besuchen in Erinnerung geblieben war: “Leonardo aber herrschte über die Mächte der Finsternis.†Er wird unterbrochen von der Ankunft Varecks und spürt, dass mit dem Burschen etwas nicht in Ordnung ist.
In der Nacht, als alles schläft, sucht er die Bibliothek erneut auf und begegnet ihm dort, wie er in einem Folianten blättert. Überraschenderweise greift Charles Zamorra an. es kommt zum Kampf, aber der Professor weiß sich seiner Haut zu wehren, und so flieht Vareck über den Schlosshof, der Parapsychologe hinterher, bis Ramondo plötzlich auftaucht und auch Zamorra zu hypnotisieren versucht. Als ihm das nicht gelingt, flieht er.
Zurück in der Bibliothek sieht er sich den Folianten näher an und entdeckt eine Zeichnung:
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“Das kleine, aber detaillierte Abbild eines Amuletts aus ziseliertem Silber. Ein Drudenfuß in der Mitte. Kreisförmig darum geordnet die zwölf Tierkreiszeichen. Und als äußerer Ring ein schmales Silberband mit Zeichen und Hieroglyphen […]†|
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Am Morgen findet die Testamentseröffnung statt, zu der Charles nicht erscheint. Stattdessen ruft die Polizei an und berichtet, dass man ihn mit durchgeschnittener Kehle gefunden habe. Zamorra, frischer Besitzer eines alten Schlosses, bekommt noch einen Brief seines Onkels ausgehändigt. Darin wird er vor der Kammer mit dem Wappen an der Tür im Kellergewölbe gewarnt. Zamorra solle nicht versuchen, dieses Geheimnis zu ergründen, aber natürlich will er wissen, was in seinen Tausend Wänden vor sich geht, und wird mit den Feuerdämonen konfrontiert, denen er durch eine Geheimtür überraschend in die Bibliothek entkommen kann. Auf der Suche nach dem Mechanismus, stößt er auf ein Buch mit dem Jahreszahl 1990 auf dem Rücken, eines Jahres also, dass noch fern in der Zukunft liegt. Er nimmt es heraus und hält endlich das Amulett in Händen, das einst Leonardo gehörte, den man der Hexerei bezichtigte und der über die Dämonen im Gewölbe herrschte, sie aber dort bannte.
Nicole, die die Tante zum Bahnhof Gefahren hatte, kehrt in der Zwischenzeit zurück und legt sich vor Erschöpfung gleich schlafen. Ramondo hatte sie abgefangen und hypnotisiert, damit sie ihm des Nachts die Tür öffnen könne.
Zum Showdown kommt es in der Folterkammer und danach in der Kammer der Dämonen. Nicole lässt Ramondo und seinen Diener herein, Zamorra wird niedergeschlagen und an eine spanische Garotte gebunden. Natürlich will Ramondo wieder wissen, wo sich das Amulett befindet, das Zamorra unter dem Hemd trägt. Der Professor schweigt, lässt ihn aber den Brief des Onkels finden, der ausdrücklich vor der Kammer warnt. Für Ramondo steht aber fest, dass sich das Amulett dort befinden müsse – er und sein Diner laufen geradewegs in den Tod. Zamorra lässt Nicole das Amulett berühren und bricht den Bann. Sie befreit ihn, und Zamorra gelingt es mithilfe des Amuletts, die Dämonen zu vernichten.
Das war jetzt ziemlich ausführlich, aber alles in allem ist das auch ein besonderer Roman. Da wird von Anfang an eine faszinierende und mächtige Waffe eingeführt, das Schloss, das Zamorra fortan bewohnen wird, da gibt es die Bibliothek, die zum Entdecken einlädt und überhaupt hat man hier einen hervorragenden Ausgangspunkt geschaffen. Es wird allerdings noch etwas dauern, bis das ganze Potenzial der Serie erkannt und auch ausgeschöpft wird. Kein Geringerer als Werner K. Giesa wird ein paar Jahre später die Serie zu dem machen, was sie eigentlich ist.
Dieser Beitrag wurde schon 1 mal editiert, zum letzten mal von Wynn am 26.03.2021 13:27.