VHR Band 187: Raupen-Alarm von Hal W. Leon
Samuel Twigger war kein Frühaufsteher. Seit er vor einigen Jahren in Pension gegangen war, genoß er seine Freiheit und ließ sich Zeit mit allem, was er tat. Hier draußen, mehrere Meilen südlich der Ortschaft Balmoral, lebte er völlig zurückgezogen in seinem Häuschen und bekam oft tagelang keinen Menschen zu Gesicht. Aber genau das hatte er sich immer gewünscht. Twigger war ein Sonderling. Ein Einzelgänger, der die Beschaulichkeit liebte und dem jede Hast und jeder Trubel ein Greuel war.
Auch an diesem Morgen hatte er es nicht eilig, aus dem Bett zu kommen. Er lag seit einer Weile wach und blinzelte in die Sonnenstrahlen, die sich in das ebenerdige Zimmer verirrten. Das Fenster stand offen. Es stand immer offen, denn hier draußen gab es weder Staub noch Straßenlärm, noch lästige Nachbarn, die ihn stören konnten. Gegen frische Luft hatte er nichts, ganz im Gegenteil. Genauso liebte er den Vogelgesang. Im Moment war es im Garten völlig still. Das morgendliche Konzert seiner gefiederten Freunde war verstummt. Die Vögel waren wohl zur Futtersuche übergegangen oder von einer streunenden Katze vertrieben worden.
Plötzlich hörte Samuel Twigger ein knackendes Geräusch. Es klang, als wäre ein Ast abgebrochen. Der Alte fuhr hoch, blickte lauschend zum Fenster. Was hatte das Knacken zu bedeuten? War jemand in den Garten eingedrungen, ein Dieb vielleicht? Twigger war dafür bekannt, daß er prächtiges Obst züchtete. Außerdem zog er für den Eigenbedarf alle möglichen Arten von Gemüse. Es konnte leicht sein, daß ein Landstreicher oder ein paar Jugendliche sich auf seine Kosten gütlich taten.
Verfasst von Hal W. Leon (= Helmut Werner)
Titelbild von Nikolai Lutohin
Erschienen am 07.09.1976