Inspektor John McAllister wohnt einem Mysterienspiel im schottischen Warren Castle bei, das zum 300. Jahrestag des unrühmlichen Todes des Burgherrn Earl Kenneth of Warren aufgeführt wird. Es geht darin um die Verurteilung und Hinrichtung der jungen Eileen Livingstone, fälschlich der Hexerei beschuldigt, sowie dem grausigen Geschehen danach, dem sich niemand entziehen konnte. Daran ist der Chef der »Ghost Squad« mehr interessiert, denn bis heute ist dieses Geschehen in den Köpfen und Herzen der Einwohner von Warrentown präsent. Wie damals stirbt die junge Darstellerin der »Eileen« den gleichen Tod, ausgeführt von ihrem Freund William of Warren, Sohn des jetzigen Besitzers des Castles. Während der Untersuchung der hiesigen Mordkommission berichtet plötzlich der Gärtner: »Ich habe ihn gesehen, den Mörder ... draußen am Waldrand ... es war Terence Bilshire ... er trug Eileens Kopf in der Hand.« Nur lebte Terence Bilshire vor 300 Jahren und war der Freund von Eileen Livingstone!
Nun ist der Inspektor endgültig Feuer und Flamme und beginnt die Dokumente und Niederschriften zu studieren, die das dramatische und grausige Geschehen von damals für ihn wieder lebendig werden lassen. Er taucht ein in eine mörderische und grausame Zeit, in der ein bloßer Verdacht, Neid und Missgunst genügte, um unschuldige Menschen in Folterkammern der »peinlichen Befragung« zu überantworten, um danach vor einer sensationslüsternen Meute von Zuschauern fadenscheinigen »Gottesurteilen« ausgeliefert zu werden, die praktisch immer mit dem Tod der Delinquenten endeten. So oder so ...
Meinung: Unschuldige wurden einst der Hexerei bezichtigt und zu einem qualvollen Tod verurteilt. Damals war man nicht zimperlich. Bevor der Delinquent starb, landete er in der Folterkammer und wurde je nach Laune der Richter ertränkt, gesotten, geköpft oder gehenkt.
Auch die Gegenwart ist nicht weniger zimperlich. Ein blutiges Drama spielt sich im Beisein von Inspektor John McAllister ab, läßt vergessene Grausamkeiten wieder lebendig werden und reißt Menschen in einen Strudel, dessen Ursprung in der Vergangenheit liegt ...
So beginnt der 13. Nebelgeister-Roman, worin dem geneigten Leser recht plastisch das bizarre und grausame Wesen der Hexenverfolgung im Mittelalter bis zur Zeit der Aufklärung nahegebracht wird. (In Mitteleuropa wurde 1793 in Posen in Südpreußen die letzte Hexenverbrennung durchgeführt, gilt aber als geschichtlich nicht einwandfrei, da nur aus einer, noch dazu unsicheren, Quelle bekannt [meine Quelle: Wikipedia].) Das Besondere an diesem Roman ist, dass hier die »Ghost Squad« eigentlich gar keine Rolle spielt. Denn alsbald steht der Leser mitten im Geschehen anno 1682 und nimmt von der Seite 6 bis zur Seite 50 daran teil. Dieses eindringlich verfasste »Vergangenheitsabenteuer« weiß sehr gut zu fesseln, wird dem Leser doch recht drastisch vor Augen geführt, wie das damals so war. Auch wenn ein übernatürliches Element nicht fehlen darf (wodurch sich der Romantitel auch rechtfertigt), so schadet dies dem Ganzen überhaupt nicht. Man weiß ja, dass man einen Gruselroman liest. Vorrangig nimmt man am tragischen Schicksal der armen Eileen Anteil, die hierin stellvertretend für all die armen und wohl meist unschuldigen Frauen steht.
Ich hätte kein Problem damit gehabt, wäre der Roman ganz ohne McAllister ausgekommen, so gut war die Schilderung der »historischen Begebenheiten«. Andererseits war das Geschehen um Eileen toll verpackt in der Haupthandlung und wirkte sich auch recht logisch in der die Neuzeit betreffende (für mich!) Nebenhandlung aus. Wie das alles zusammenpasst, wird hier jedoch nicht verraten, denn der neugierig gewordene Leser dieser Rezension soll auch seinen Spaß an dieser Geschichte haben. Es lohnt sich auf jeden Fall. Die Sprache des Autors erscheint wohltuend unaufgeregt (geborener Engländer), sodass dem Leser keine Moralkeule um die Ohren geschlagen wird. Dafür wirkt das Gelesene aber umso eindringlicher nach. Ich kann diesen Roman jedem Leser ans Herz legen, der nebenbei etwas für »historische Elemente« übrig hat.
Bitte nur lesen, wenn man den Roman nicht lesen will oder nicht kann, weil nicht vorhanden oder nicht auftreibbar:
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Erhebe nicht den Anspruch, alles zu wissen – versuche es.
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