Jugend ohne Gott von Ödön von Horváth.
(Gelbes kleines Reclam-Büchlein, 194 Seiten, davon 138 Seiten Handlung)

Mit diesem Büchlein hatte ich als junger Mann von 22 Jahren so meine Probleme; ich brach dessen Lektüre ab und ließ es Jahrzehnte liegen. Diese Woche habe ich es gelesen - und bin immer noch zwiegespalten.

Der Autor schrieb es zwischen 1936 und 1938, erstmals erschienen ist es in Holland anno 1938. Auch wenn er die Nazis Plebejer sowie Hitler den Oberplebejer nannte, so hätte er in Deutschland oder in Österreich damals keinen Verlag für dessen Veröffentlichung gefunden, abgesehen von möglichen Repressalien gegen ihn. Beschreibt er doch schon die ganze Jugendarbeit der NSDAP als ziemlich sichere Vorbereitung der Jugendlichen auf einen kommenden Krieg.

Irgendwie stört mich die Ausrichtung auf das Geschehen aus der Sicht des Lehrers, der sich selbst in schuldhaftes Verhalten verstrickt, denn ich hätte eher mehr vonseiten der jugendlichen Sichtweise erwartet. Dazu die plötzliche Hinwendung zu Gott durch den Lehrer, den er direkt vor sich sieht und auch zu ihm sprechen hört - na ja ...

Dennoch ist es ein aufrüttelndes Zeitzeugnis eines Autors, der das Erstarken der Naziherrschaft hautnah miterlebt haben dürfte im Gegensatz zu vielen heutigen "Experten", die eben nur aus der Distanz von vielen Jahrzehnten interpretieren (können). Beklemmend ist die Schilderung dessen schon, wie leicht es war, vor allem die Kinder und Jugendlichen mit dem rassistischen Gedankengut zu infiltrieren und nachgerade damit zu vergiften.

Wenn ich heutzutage die (für mich: unsozialen) Medien betrachte, schwant mir oftmals Beängstigendes in punkto Verführungsmöglichkeiten der jungen Leute zu ähnlichem Gedankengut ...

__________________
Erhebe nicht den Anspruch, alles zu wissen – versuche es.