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John-Sinclair-Forum ::: Gruselroman-Forum » Roman-Serien » John Sinclair » Kurzgeschichtenzyklus: Die Dunkle Mutter » Teil 6: Die Suche 1 Bewertungen - Durchschnitt: 4.00 1 Bewertungen - Durchschnitt: 4.00 1 Bewertungen - Durchschnitt: 4.00 1 Bewertungen - Durchschnitt: 4.00
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Tulimyrsky Tulimyrsky ist männlich
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03.06.2019 08:40
Teil 6: Die Suche
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Hinter dem Haus klatschte das Wasser des Flusses träge und schwer gegen die Kaimauern. Ansonsten herrschte Stille. Der Tag würde bald beginnen. Aus der Tiefe der Stille erklang plötzlich die Stimme einer Frau. Sie sang in einem dunklen, rhythmischen Tonfall:
Ora pro nobis Asmodaeus! Ora pro nobis Baffometi! Ora pro nobis Beelzebub! Credo in unummalum! Herr, erhöre mich!

Ihre eisblauen Augen durchdrangen die tiefe Dunkelheit, in der nun etwas Unsagbares langsam Gestalt annahm. Von überall her drangen vier Wörter durch das Dunkel in den Geist der Frau:

UBI MEA EST IMAGO?

Die Frau versteifte sich und für einen kurzen Moment wirkte sie überrascht, ja vielleicht sogar verunsichert. Sie schloss die Augen und sprach ohne die Lippen zu bewegen: „Alles wird bereit sein, mein Herr! Die Kinder sind schon bei mir und bald wirst du dich uns offenbaren. Alles wird bereit sein.“ Schon im nächsten Moment war die Gestalt verschwunden. Die Frau wandte sich um und verließ ohne zu zögern das Haus. Den ehemaligen Bewohnern, die an langen Seilen erhängt an der Decke langsam hin und her baumelten, schenkte sie dabei keinerlei Beachtung mehr.

Die Dunkle Mutter richtete ihren Blick flussabwärts nach Osten. Dorthin, wo schon bald die Dämmerung einsetzen würde. Sie flüsterte: „Luzifer, mein schöner Morgenstern! Zeige uns den Weg zu der Vernichtung deiner Feinde! Satanas luciferi excelsi!

Dem Morgen graute bereits. Ebenso wie mir. Nach den Ereignissen in Leatherhead, die leider mit der Enthauptung einer jungen Mutter ihren schrecklichen Höhepunkt erreicht hatten, wälzte ich mich schlaflos in meinem Bett hin und her. Ich konnte keine Ruhe finden. Nicht verwunderlich nach gleich zwei Niederlagen im Kampf gegen die rätselhafte Mater Andhera. Fast noch schlimmer aber war diese verdammte Ratlosigkeit:
Was bezweckte die Dunkle Mutter? Welche Rolle spielte Elohim, der Junge mit dem Jenseitsblick? Wer oder was war Amber? Wie passte Nora Thorn ins Bild? Mit welcher Waffe konnte die Mutter vernichtet werden?

Ich richtete mich auf, setzte mich auf die Bettkante und stemmte meine Arme auf meine Oberschenkel. Erschöpft starrte ich auf den Schlafzimmerboden und doch ins Leere. Immer wieder schossen mir diese grauenhaften Bilder durch den Kopf. Wie ich das Paket am Vorabend vor meiner Tür fand und annahm, es wäre meine bestellte Pizza. Doch es war keine Pizza in dem Paket. In ihm lag der blutige Kopf von Denise. Die junge Frau hatte es mit unserer Hilfe gerade erst geschafft, ihr neugeborenes Baby aus den Fängen der Dunklen Mutter zu befreien, aber letzten Endes hatte sie es doch wieder verloren. Genauso wie ihr Leben.

Nichts deutete mehr darauf hin, dass vor wenigen Stunden noch meine Kollegen von der Spurensicherung dagewesen waren und den Kopf sichergestellt hatten. Laut meiner letzten Information war ihr Torso bislang nicht gefunden worden. Sie und ihr Baby waren spurlos aus dem Krankenhaus in Leatherhead verschwunden.

Ich hatte versagt. Auf ganzer Linie.

Ich wusste, dass ich nicht mehr einschlafen konnte und da es eh schon dämmerte, stand ich auf. Ich ging ins Bad, hängte mein Kreuz in Griffweite und schlüpfte unter die Dusche. Obwohl mich die Wechseldusche am Morgen normalerweise immer wach und munter machte, stieg ich dieses Mal nach ein paar Minuten noch deprimierter aus der Kabine. Ich trocknete mich mechanisch ab, zog frische Unterwäsche an und hängte mir schließlich widerwillig mein Kreuz wieder um.
„So kann es nicht weitergehen!”, dachte ich zornig. „Wir können doch nicht eine Niederlage nach der anderen kassieren.” Jetzt war ich nicht mehr deprimiert. Jetzt war ich wütend. Wütend darauf, dass wir noch immer kein wirksames Mittel gegen diese Höllenbrut gefunden hatten. Wütend auf mich selbst, dass ich, der Sohn des Lichts nur hilflos mit ansehen konnte, wie wir jeden Kampf gegen die Dunkle Mutter verloren. Damit musste jetzt Schluss sein. Wir mussten etwas tun! Aber was?

Wie ich wusste, gab es eine Waffe, um sie zu stoppen. Das hatten mir die Geister in der Gruft verraten. Diese Waffe musste ich finden. Ich hatte noch keinen blassen Schimmer, wie ich das anstellen sollte, aber alles war besser, als hier herum zu sitzen und Trübsal zu blasen. Ich zog mich fertig an, schnallte die Beretta um, schlüpfte in meine Lederjacke und verließ die Wohnung.

Ich fuhr mit dem Fahrstuhl hinunter in die Tiefgarage, stieg in meinen Dienstwagen und brauste los. Zunächst fuhr ich ziellos durch das noch verhältnismäßig leere London. Doch bald würden die Straßen voll sein von ungeduldigen und hupenden Autofahrern. Klar, ich hätte Suko informieren können, aber ich gönnte ich ihm seinen Schlaf und außerdem hätte ich eh nicht gewusst, was ich ihm hätte sagen sollen.

Es traf mich wie aus heiterem Himmel. Ich schlug mir selbst mit der flachen Hand auf die Stirn. Natürlich. Das war es. Zumindest war das ein Ansatz. Etwas, worauf ich aufbauen konnte. Was war ich manchmal vernagelt! Dabei lag es doch logisch und klar auf der Hand, was zu tun war. Damals auf der Polizeischule hatten sie es uns ja wieder und wieder gesagt: Finden Sie heraus, wo das Verbrechen seinen Anfang genommen hatte! Also musste ich zurück zum Ursprung und dort ermitteln. Das bedeutete, dass ich ein weiteres Mal zur Gruft der Dunklen Mutter gehen würde. Nicht im eigentlichen Sinn, da die Gruft komplett in sich zusammengebrochen war. Aber es musste irgendwo Aufzeichnungen darüber geben, wer dort wann und von wem bestattet worden war. Die Begräbnisstätte musste eine Vergangenheit haben. Das war mein erster Ansatzpunkt.

Ich wendete das Fahrzeug und fuhr zum Yard. Ich stellte das Auto in der Tiefgarage ab und fuhr mit dem Aufzug in die Empfangshalle. Der diensthabende Polizist empfing mich mit den Worten: „Na, Herr Oberinspektor? Was verschlägt Sie so früh ins Büro?” Ich entgegnete: „Sie wissen doch, Mr. Shostens, der frühe Vogel fällt selbst hinein!” Ich ließ ihn mit offenem Mund stehen und begab mich zum Fahrstuhl, der mich schließlich in unser Büro brachte. Ich schaute auf den verwaisten Stuhl von Glenda, meiner Sekretärin.

Dann fiel mir auf, dass es selbst für sie noch viel zu früh war, um im Büro zu sein. Grummelnd begab ich mich zum Automaten und zog mir einen Becher mit geschmackfreiem Kaffee. Angewidert verzog ich nach dem ersten Schluck das Gesicht und verfluchte innerlich den Erfinder dieser Brühe. Mit Verachtung stellte ich das Getränk, welches seinen Namen gar nicht verdient hatte, auf meinem Schreibtisch ab. Ich setzte mich und zog das Telefon heran. Die Nummer der Bereitschaft war schnell gewählt. „Sinclair hier. Euer liebster Kollege. Ich brauche ein paar Auskünfte. Bitte!” Das Schweigen am anderen Ende des Apparates sprach Bände. „Sinclair! Auskünfte sind unsere Spezialität. Allerdings auch eine Literfrage.” „Eine was?”, fragte ich nach. „Eine Literfrage. Je mehr Liter Sie spendieren, desto schneller kommt die Auskunft.” flötete es aus dem Hörer. „Daran soll es nicht scheitern”, sagte ich und grinste breit. Ich schilderte dem Kollegen mein Anliegen und legte wieder auf.

Als nächstes fuhr ich meinen Computer hoch. Ich wollte es zuerst mit einer Internetrecherche versuchen und gab den Begriff 'Dunkle Mutter' in das Suchfeld ein. Ich bestätigte mit der Eingabetaste und erschrak bis aufs Mark als mir Bilder von Mutter Teresa entgegen flimmerten. Weitere Bilder zeigten die Totengöttin Kali, mit der ich auch schon zu tun gehabt hatte. Aber in diesem Wust aus Spiritualität und Esoterik fand ich nichts, was mich irgendwie weitergebracht hätte. Enttäuscht klickte ich auf ein anderes Bild. Plötzlich poppten überall neue Fenster auf. Diesmal bekam ich die prallen nackten Brüste afrikanischer Frauen zu sehen. Je mehr ich klickte, desto mehr nackte Tatsachen öffneten sich. Dark Mama Africa? Ich seufzte.

„Ist der Herr Geisterjäger nicht ausgelastet?”, hörte ich auf einmal die süffisante Stimme meiner Sekretärin. In meiner Verzweiflung hatte ich gar nicht mitbekommen, wie Glenda das Büro betreten hatte. Amüsiert stand sie neben mir, als hätte sie mich bei etwas Unanständigem erwischt. „Glenda! Bitte, erlöse mich von dem Internet.” Glenda lachte vergnügt. Sie verdrängte mich von der Tastatur, klickte kurz und drückte irgendeine Tastenkombination und der Spuk war vorbei.

„Lasse nie einen Geisterjäger in das World Wide Web!” Sie lächelte mich an. Glenda sah wie immer umwerfend aus. Der Wildlederrock harmonierte perfekt mit ihrem hellroten Oberteil und wenn ich durch meine Recherche nicht schon so Oberweiten-geschädigt gewesen wäre, hätte ich ihr bestimmt ein Kompliment gemacht. So blieb mir nur ein eher peinliches „Dankeschön.” Wieder lachte Glenda, bevor sie mich fragte, was ich denn schon so früh im Büro machen würde. Ich erklärte es ihr und schon klingelte das Telefon. Der Kollege von der Bereitschaft war dran.

„So schwer war das gar nicht, Sinclair. Alle Berichte zu diesem teuflischen Terroranschlag im letzten Monat sollten gerade in ihrem Postfach landen. Wenn Sie weitere Informationen brauchen, melden Sie sich einfach bei mir. Ich werde dann sehen, was ich machen kann.”
Leider hatte der Kollege verdammt recht. Es war in der Tat ein „teuflischer“ Anschlag gewesen. Aber ich wollte das Thema nicht weiter mit ihm erörtern. Daher bedankte ich mich und legte auf. Ich wollte gerade wieder auf meinen Bildschirm schauen, als dieser unwiderstehliche Kaffeeduft durchs Büro zog. Glenda brachte mir eine Tasse ihres unglaublichen Koffeingetränks und nahm unauffällig den Plastikbecher mit, den ich vorhin aus dem Automaten gezogen hatte.
Ich wechselte in mein elektronisches Postfach, nahm einen Schluck Kaffee und klickte auf die Mail, die ich soeben bekommen hatte.

Es handelte sich um das gesamte Dossier des Terroranschlages von Potters Bar, so die offizielle Verlautbarung der Regierung. Sogar eine Gruppe von Tatverdächtigen hatten sie schon benannt. Ein entsprechendes Bekennerschreiben lag ebenfalls vor. Mir wurde ganz anders, als ich die lange Namensliste mit den Opfern durchging. So viele sinnlose Tote. Der Hauptteil des Dossiers behandelte das Massaker in der Nähe der Schnellstraße. Hier waren die wildesten Spekulationen aufgeführt, von dem mutmaßlichen Einsatz einer Überschallwaffe bis hin zu Sprengstoffangriffen. Nur die wenigsten wussten, was wirklich passiert war. Einer davon war ich. Aber ehrlich gesagt brachte mich das jetzt auch nicht weiter.
Ich scrollte weiter und kam an den Abschnitt, der die Gruft der Dunklen Mutter erwähnte. Von der Dunklen Mutter war natürlich nicht die Rede. Dafür erfuhr ich, dass es sich um die Grabstätte der Carmines handelte.

Ich rief kurz nach Glenda und bat um Unterstützung.
„Könntest du bitte über den Kasten da alles in Erfahrung bringen, was mit der Familie Carmines und dieser Gruft in der Nähe von Potters Bar zu tun hat? Ich fürchte, wenn ich mich wieder an die Tastatur setze, dass ich dann wieder … naja, du weißt schon.” „Den Computer ruiniere”, beendete Glenda den Satz. „Ich werde veranlassen, dass dein Computer solche Seiten nicht mehr anzeigt.” Ich hob den Arm und wollte Einspruch einlegen, aber Glendas finsterer Blick ließ mich schon im Ansatz verstummen.

Ich wandte mich wieder dem Bericht zu und stutzte, als ich von fünf nicht sicher identifizierten Personen las. Mutmaßlich waren zwei davon das Ehepaar Henry und Agatha Munston. Bei den anderen drei Toten handelte es sich vermutlich um die aus dem nahen Krankenhaus entlaufene Brenda Miller und die vermissten Teenager Stephen Taylor und Evan Waters. Offiziell bestätigt wurde dies nicht, da die Toten noch nicht geborgen werden konnten. Im Bericht stand nichts darüber, ob überhaupt der Versuch unternommen werden sollte, die Leichen zu bergen und anständig zu begraben. Die Terrorermittlungen hatten anscheinend Vorrang.

Die Befragungen der Eltern hatten soweit nichts ergeben. Die Protokolle der Vernehmungen lagen zwar vor, aber in ihnen fand ich nichts brauchbares. Bis auf die Aussage von Brenda Millers Mutter. Sie hatte erklärt, dass sie Brenda ins Krankenhaus hatte einliefern lassen, nachdem ihre Tochter von einer Mutprobe völlig verstört und dem Wahnsinn nahe nach Hause gekommen war. Was Mrs. Claudine Miller noch zu Protokoll gegeben hatte, war, dass Brenda eine Nacht in der Gruft der Carmines verbracht haben soll. Das Protokoll war kurz und knapp abgefasst. Für meine Begriffe zu knapp.

„John?”, hörte ich Glenda rufen. „Das hier ist sehr merkwürdig.” Ich stand auf und ging hinüber ins Vorzimmer. Ich umrundete Glendas Schreibtisch und stellte mich hinter sie. Ich beugte mich hinunter, um besser in den Monitor schauen zu können und nahm dabei den Duft ihres dezenten Parfüms wahr. Für ganz kurze Zeit war ich angenehm abgelenkt.

„Ich finde keinerlei offizielle Einträge zu dieser Grabstätte.” Glenda schaute mich an. „Normalerweise gibt es Dokumente, Akteneinträge, irgendetwas. Aber hier finde ich nichts. Offiziell scheint diese Gruft gar nicht zu existieren, geschweige denn irgendwem zu gehören.” „Aber im Bericht steht doch eindeutig, dass es die Gruft der Carmines ist. Das saugt sich doch keiner aus den Fingern.” „Moment”, sagte Glenda. „Ich überprüfe das.” Glenda klickte kurz herum, nahm ihr neumodisches Headset und wählte eine Nummer.

Während meine Sekretärin redete, holte ich mir noch eine Tasse Kaffee, die ich dringend nötig hatte. Ich wollte gerade einen Schluck nehmen, als mich Glenda triumphierend ansah.
„Officer McKenzie, der den Bericht geschrieben hat, sagt, dass er den Namen Carmines über der Gruft hatte stehen sehen. Er glaubt sich zu erinnern, dass es in Potters Bar früher eine unheimliche Legende über die Familie Carmines gegeben haben soll.” Ich nickte stumm und überlegte. Wer konnte etwas über lokale Spukgeschichten wissen. Entweder fanden sich in den Kirchenbüchern entsprechende Hinweise oder aber meine leider verstorbene Freundin Sarah Goldwyn, von uns allen die Horror-Oma genannt, hatte etwas in ihrem Archiv. Kaum hatte ich den Gedanken laut ausgesprochen, meinte Glenda: „Ja, das wäre eine Möglichkeit. Ich werde versuchen Jane zu erreichen.” Jane Collins war von Sarah Goldwyn als Erbin eingesetzt worden. Sie wohnte in dem feudalen Haus und verwaltete quasi das enorme Horror-Archiv.

Bevor ich etwas sagen konnte, hatte Glenda ihre Nummer gewählt und bekam Jane auch sofort an die Strippe.

Ich zog mich derweil in mein Büro zurück und überflog noch einmal das Vernehmungsprotokoll. War mir da vorhin nicht etwas aufgefallen? Ja, das Protokoll war sehr knapp, so als hätte der Beamte die Aussage von Claudine Miller nicht für voll genommen. Oder nicht für voll nehmen wollen? Ich überlegte. War ich auf eine Spur gestoßen? Ich konnte natürlich hier warten, bis Jane etwas in ihrem Archiv gefunden hatte, aber ich konnte auch genauso gut sofort zu Claudine Miller fahren und sie erneut befragen. Vielleicht würde ich mit ihrer Hilfe etwas Neues in Erfahrung bringen.

„Glenda, könntest du bitte bei Bedarf Sir James und Suko informieren, dass ich in Potters Bar bin? Ich möchte der Mutter von Brenda Miller noch ein paar Fragen stellen.” „Natürlich”, sagte Glenda und zog eine Augenbraue nach oben. „John?” „Ja?” „Sollte ich noch einmal sehen, dass du eine halbvolle Tasse meines Kaffees stehen lässt, dann war das dein letzter. Verstanden?” Freunde, ihr habt noch nie einen Geisterjäger gesehen, der so schnell eine Tasse Kaffee geleert hat.

Bevor ich losfuhr, rief ich bei Mrs. Miller an, um meinen Besuch anzukündigen. Sie war glücklicherweise zu Hause und bereit mich zu empfangen. Die Millers wohnten in einem kleinen Reihenhaus zwischen einem der unzähligen Golfclubs und dem Parkfield Open Space Park. Noch bevor ich klingeln konnte, wurde mir die Tür geöffnet. Mrs. Claudine Miller war eine attraktive Mittvierzigerin mit einer fraulichen Figur. Sie trug ein schlichtes, aber dennoch modernes Hauskleid in einem angenehmen Grauton und hatte ihre langen Haare zu einem Zopf zurückgebunden.. Ich holte meinen Ausweis hervor und stellte mich vor.

„Ich bin Oberinspektor John Sinclair von Scotland Yard und würde gerne mit Ihnen über Ihre Tochter Brenda sprechen.” Mrs. Miller schwieg. Ich sah ihr an, dass sie harte Zeiten durchgemacht hatte. Ihr Gesicht war eingefallen und ihre Augen lagen tief in den Höhlen. Das alles konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sehr hübsch war. Schließlich brach sie das Schweigen.

„Bitte kommen Sie herein.” Claudine Miller führte mich ins Wohnzimmer und bat mir einen Kaffee an, den ich dankend ablehnte. „Aber ein Glas Wasser wäre sehr nett”, sagte ich und versuchte zu lächeln. Mrs. Miller nickte. Sie brachte mir das Getränk, stellte es auf dem Wohnzimmertisch ab und setzte sich auf die kleine Couch. Ich nahm ihr gegenüber in einem Sessel Platz.

„Mrs. Miller”, begann ich und wurde sofort von ihr unterbrochen. „Hat sich unsere Regierung jetzt endlich dazu bereit erklärt, die sterblichen Überreste meiner Tochter freizugeben? Ja? Oder wollen Sie mir immer noch weismachen, dass meine Tochter zusammen mit diesem Nichtsnutz Stephen und ihrem Sandkastenfreund Evan durchgebrannt ist? Läuft die Fahndung nach meiner Tochter immer noch auf Hochtouren, so wie mir Ihr Kollege vor ein paar Wochen einreden wollte? Dieser Simpel!” Claudine Miller kochte vor Wut und ich konnte die Trauer in ihren Augen deutlich sehen. „Mrs. Miller”, setzte ich erneut an. „Ihre Tochter ist nicht weggelaufen. Sie starb bei dem Versuch, das Massaker in Potters Bar aufzuhalten.” Das war streng genommen gelogen, aber Brenda musste einer der Geister gewesen sein, die mir in der Gruft der Dunklen Mutter erschienen waren. Sie hatte mir mitgeteilt, dass eine Waffe gegen die Matar Andhera existierte.

Tränen liefen Claudine Miller übers Gesicht. „Ich habe es die ganze Zeit gewusst”, flüsterte sie. „Ich habe gespürt, dass meine Tochter tot ist.” Flüsternd kam es über ihre Lippen. „Aber warum?” Sie schaute mich flehentlich an. „Warum ist sie aus dem Krankenhaus weggelaufen? Warum hat sie sich dazu hinreißen lassen, in dieses grauenhafte Grabgewölbe zu gehen, aus dem sie halb wahnsinnig wieder rauskam? Was ist dort mit ihr passiert?” Claudine Miller nahm ein Taschentuch aus einer Spenderbox, die unterhalb des Tisches stand, und wischte sich übers Gesicht. Ich konnte ihren Schmerz beinah körperlich spüren.

„Ich kann Ihnen diese Fragen leider nicht beantworten”, sagte ich. „Weshalb sind Sie dann überhaupt hier, Mr. Sinclair?” „Ich habe Ihre Aussage gelesen, die sie nach dem Anschlag zu Protokoll gegeben hatten. Mir schien, dass Sie nur äußerst widerwillig auf die Fragen von Officer McKenzie geantwortet haben.” „Widerwillig?”, fragte sie mich. „Dieser Officer McKenzie ist so sozial kompetent wie ein Glas Milch! Er war es, der behauptete, dass Brenda durchgebrannt sei. Da wollte ich lieber gar nichts mehr sagen.” „Gibt es denn noch etwas, was Sie aussagen möchten?” Claudine Miller nahm sich ein weiteres Tuch und schnäuzte sich. „Nein. Aussagen möchte ich nichts.” Sie machte eine Pause. „Sie sind der Erste, Mr. Sinclair, der mich nicht anlügt. Ich möchte Ihnen etwas zeigen. Bitte warten Sie kurz hier.” Sie stand auf, glättete ihr Kleid und verschwand im oberen Stockwerk. Ich hörte eine Türe quietschen. Kurz darauf wurde die Tür wieder ins Schloss geworfen und Mrs. Miller kam die Treppe herunter. Sie hielt etwas in ihren Händen, aber ich konnte nicht erkennen, was es war, denn sie hatte ein Tuch darüber gelegt. Die Spannung in mir wuchs. Ein heftiger Schmerz durchzuckte unvermittelt meine Brust, als Claudine Miller mir ihre Hände entgegenstreckte. Mein Kreuz hatte reagiert! Sie zog das Tuch beiseite und hielt mir ein schwarzes Amulett entgegen. Ein schwarzes Amulett mit einer Teufelsfratze.

„Bitte legen Sie das Amulett vorsichtig auf den Tisch”, bat ich Mrs. Miller und bemühte mich, meine Anspannung zu verbergen. Sie ging vorsichtig um mich herum und ließ das diabolische Götzenbild auf den Tisch gleiten. Noch immer strahlte mein Kreuz eine intensive Wärme aus.
„Brenda hat es mitgebracht!” Mrs. Miller nahm wieder Platz. „Sie sagte, sie hätte es in diesem verfluchten Grab gefunden. Zuerst hielt ich das für Unsinn und dachte, dass es nur eines von diesen neumodischen Accessoires war, mit dem man alte Leute erschreckt. Brenda aber hielt es die ganze Zeit fest an ihre Brust gepresst. Als ich es ihr wegnehmen wollte, eskalierte das Ganze, Mr. Sinclair. Sie schrie, beschimpfte mich und ging auf mich los. Schließlich wusste ich mir nicht mehr zu helfen und habe das NHS angerufen. Der Rettungsdienst hat dann empfohlen, sie in eine Psychiatrie einweisen zu lassen. Beim Aufräumen habe ich das Ding später gefunden und im Schrank verstaut. Officer McKenzie gegenüber habe ich es nicht erwähnt. Sie können es gerne mitnehmen, Mr. Sinclair. Ich will es nicht mehr in diesem Haus haben.”

„Das wird gar nicht so einfach sein”, sagte ich. „Dieses Ding ist böse!“ Ich stand auf, ging ein paar Schritte vom Tisch weg und holte mein Kreuz hervor. Claudine Miller bekam große Augen. Sollte ich probieren, das Amulett zu vernichten? Ich zögerte. „Was für ein Polizist sind Sie eigentlich?” Mrs. Miller erhob sich von der Couch und ging vorsichtig in Richtung Tür.
„Ich bin wirklich Oberinspektor bei Scotland Yard. Allerdings beschäftige ich mich mit Fällen, die, sagen wir einmal, etwas aus dem Rahmen des Normalen fallen.” „Dann war es gar kein Terroranschlag?” „Nein. Zumindest nicht im herkömmlichen Sinn. Es war ein Anschlag, ja. Aber ein Anschlag der Hölle.” Ich sah, wie sich Claudines Augen verengten. Sie schien zu überlegen, ob ich sie auf den Arm nahm oder ob das, was ich gesagt hatte, der Wahrheit entsprach. Sie senkte den Blick und flüsterte: „Ich glaube Ihnen, Oberinspektor. Aber bitte nehmen Sie jetzt dieses Ding mit und machen damit, was immer Sie damit machen müssen.”
Ich bat um eine stabile Schachtel, damit ich das Amulett gefahrlos transportieren konnte. „Ich danke Ihnen, Mrs. Miller. Ich lasse wieder von mir hören, wenn wir weitergekommen sind.” Ich verabschiedete mich und ging mit einer kleinen Holztruhe zurück zu meinem Dienstwagen. Kaum saß ich am Steuer, klingelte mein Telefon. Es war Glenda.

„John! Halt dich fest! Jane ist fündig geworden. Um es kurz zu machen. Es gibt eine zweite Gruft!”

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Ich bin nicht der Messias - Doch, du bist es. Ich muss es wissen, denn ich bin schon einigen gefolgt.

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Beiträge: 6461

11.04.2021 03:06
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So, nachdem ich die 5 ersten teile noch mal wiederholt habe hier nun der erste neue für mich, quasi der Teil aus Depression, die zu Wut Kraft und Aktionismus und somit zu Ermittlungen führt.

Elegant eingefügt wieder die kleinen Erkennungsdetails unseres Autorenfreundes sowie eine Spitze Humor und Altgewohnheiten wie Glendas berühmter Kaffee.

Die Ermittlungen fand ich sehr gelungen geschrieben und machen weiter neugierig, hier gibt es dann 4 von 5 Sternen, weil uns der Autor mal kurz durchatmen lässt...

LG Lessy Daumen_hoch Alt

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