Coco allein auf Haiti... __________________
Einer der besten Romane der Serie, auch weil Neal Davenport sich, losgelöst vom Seriengeschehen, ganz auf seine Stärken (Coco und die Umtriebe innerhalb der Schwarzen Familie) verlassen kann und ein absolut stimmiges, turbulentes und originelles Leseerlebnis abliefert.
Nur der Mond schwamm immer noch leuchtend und wunderbar in den unermesslichen Weiten des funkelnden ukrainischen Himmels; ebenso majestätisch atmete die ungeheure Höhe, und die Nacht, die göttliche Nacht verglühte; ebenso schön lag die Erde im verzauberten Silberlicht.
Nikolaj Gogol: Die Mainacht oder Die Ertrunkene
Die Einleitungsszene mit den Spinnen ist schon etwas unrealistisch. Ich bezweifle, dass auch 20 Vogelspinnen einen menschlichen Körper nach draußen ziehen können. Auch noch über ein Fenster, also erst die Wand hoch. __________________
Während Dorian mit dem blauen Torto zu tun hat, besucht Coco einen „Weltkongress für schwarze und weiße Magie“. Mit dabei sind Mitglieder der Schwarzen Familie, zum Glück gilt der Kongress als neutraler Boden. Dabei wird sie auf den deutschen Harad Gottlieb aufmerksam, der als Sterblicher ein gefundenes Fressen für die Dämonen ist. Sie will ihn beschützen. Harald hat als typischer DK-Mann natürlich ein Auge auf Coco geworfen. Eine hübsche Dame zu einem Ausflug ins örtliche Bordell einladen, so bekommt man die Frauen also rum. Auch hinter Harald her ist die Dämonin Beatriz. Dieses Dreiecksspiel interessiert mich leider gar nicht. Von mir aus kann Beatriz ihr Opfer ruhig bekommen, ich fiebere da nicht mit. Er verhält sich eh wie ein Ekel, aus meiner modernen Sicht. Als die Dämonin den Mann zu ihrem Sklaven machen will, wird sie von den seltsamen Spinnen angegriffen. Nanu, ich dachte während des Kongresses sind solche Übergriffe Tabu? Im Heftromantiming kommt Coco gerade rechtzeitig dazu. Eigentlich wollte sie Harald vor Beatriz retten, jetzt muss sie ihn vor den Spinnen retten. Die Dämonin wurde nicht getötet, sondern nur betäubt. Also war das nur ein Warnschuss, um ihr einen Schreck einzujagen? “Und was ist mit den Spinnen?“ „Das würde ich auch gern wissen“, antwortete Coco. „Aber das wird uns Beatriz erzählen.“ Die weiß natürlich auch nichts, außer dass plötzlich von irgendwo Spinnen gekommen sind und sie angefallen haben.
Dann gibt es da noch den mysteriösen Barrabas Abadie und seinen Bruder Ezacharias, der Barrabas‘ Sohn entführt hat. Ezacharias scheint die Spinnen zu befehligen. Und jetzt will er den Tod von Harald und Coco. Barrabas soll ihm dabei helfen, wenn er seinen Sohn wiedersehen will. “Es haben schon mächtigere Dämonen versucht, die Gefährtin des Dämonenkillers zu töten, und sie hatten keinen Erfolg damit.“ Harry sollte nach den Erlebnissen eigentlich schlau genug sein, schleunigst von hier zu verschwinden. Aber er ist eher stur. Da muss Coco wohl noch weiter seinen Wachhund spielen.
Barrabas Abadie hat sich indes entschieden, nicht nach der Pfeife seines Bruders zu tanzen. Er warnt Coco. “Vielleicht erfahren Sie, wo mein Sohn versteckt ist. Ich kann Ihnen helfen – und Sie können mir helfen.“ Auch Beatriz wird verpflichtet, sie dürfte ein Interesse am Tod des sogenannten Spinnenküssers haben.
Langsam, aber sicher wurde Harry Gottlieb Coco lästig. Tja, das hast du dir selbst eingebrockt. Der Typ will dich jetzt ficken und du hast ihm Hoffnungen gemacht. Der erste Tag des magischen Kongresses wird von Neal Davenport ausführlich anhand einiger Programmpunkte beschrieben. Toll, führt aber nur noch mehr Figuren ein und hat mit dem eigentlichen Fall nichts zu tun. Nach diesen Seiten macht sich Harry wieder mehrere Seiten lang an Coco ran. Es sammelt sich wieder viel Text an, den ich einfach lustlos runterrattere.
Interessant wird es erst wieder, als Coco eine Einladung zu einer dämonischen Party erhält. Hoffentlich passiert dort was und es gibt nicht nur weitere bunte Beschreibungen der Dämonen oder magischen Wirkens. Harald nimmt Coco natürlich mit. Wie viele andere Menschen während des Kongresses wohl zum Spaß der Schwarzen Familie getötet werden? Hauptsache Coco bürdet sich einen davon auf, um später ein ruhiges Gewissen zu haben. Und als starke emanzipierte Hexe gibt sie Harry natürlich nicht deutlich zu verstehen, dass er seine Annäherungsversuche gefälligst unterlassen soll, sondern ist in dieser Beziehung sehr sachte. Verständlich, Harald ist ein Mann, die sind halt so. Er neigte seinen Kopf zu ihr hinüber und blickte in ihre großen, grünen Augen. Seine Lippen berührten die ihren – sanft und zärtlich. Seine Hand umklammerte die ihre. Der Druck seiner Lippen wurde stärker. Einige Sekunden lang war Cocos Mund kühl – fast leblos, dann erwiderte sie seinen Kuss. Nach einer Minute schob Coco Harry zurück. Solche Szenen meine ich, wieso lässt Coco das zu?
Auf der Hexenparty gibt es dann tatsächlich erstmal weiter seitenlang irgendwelche Beschreibungen. Sie stellte ihr Glas ab, schloss die Augen und kapselte sich für einige Sekunden vollständig von der Umwelt ab. Das brauchte sie, um ihre Kräfte zu sammeln. Als sie die Augen wieder öffnete, war Harry verschwunden. Die Dämonen wollen sich über Harald hermachen und haben ihm etwas in den Drink getan. Coco schickt ihn auf sein Zimmer, da ist er besser aufgehoben. Um der Handlung jetzt endlich mal etwas Schwung zu geben, hat Beatriz von allen Leuten auf der Party ausgerechnet Barrabas‘ entführten Sohn klar gemacht. Außerdem erscheint Olivaro auf der Party und lässt Coco eine geheimnisvolle Einladung zu einer Aussprache zukommen. Die hat aber erstmal andere Sorgen und folgt Beatriz. Die Dämonin wird von einer Riesenspinne angegriffen und Coco kommt zu spät. Wenigstens konnte sie Harald beschützen.
Kurz vor dem Finale hat Neal Davenport also noch Olivaro auftreten lassen. Ob und wie er wohl mit der Sache verwickelt ist? Zeit für ein Gespräch. “Wie schon gelegentlich in der Vergangenheit, verbinden uns gemeinsame Interessen. In diesem Fall ist es der Spinnenküsser.“ Er gibt Coco sogar irgendeinen tollen Zombie als Beschützer mit, aber sie will das nicht. Also zurück aufs Zimmer und sich von Harald bekuscheln lassen.
Am nächsten Morgen hypnotisiert Coco ihren Schützling und bringt ihn zum Flughafen, damit er aus der Gefahrenzone ist. Endlich, wieso erst jetzt? Danach begibt sie sich am zweiten Kongresstag auf eine weitere Party und trifft sich danach mit Barrabas Abadie. Der weiß inzwischen, wo sein böser Bruder sich aufhält. Das roch zu sehr nach einer Falle. Coco erinnerte sich an Olivaros Worte, dass Barrabas Abadie nicht ehrlich spielte. Naja, einen anderen Hinweis hat sie nicht. Also bereitet sie sich so gut es geht vor und geht zur Ruine. Wo sie natürlich trotzdem in eine Falle des Spinnenküssers läuft. Barrabas wollte nun doch kein Risiko eingehen und hat Coco ans Messer geliefert. Dafür darf sein Sohn zu ihm zurück…wenn er das will. Der wurde nämlich von seinem Onkel in ein Spinnenmonster verwandelt.
Bis jetzt ist der Roman schon nicht gerade spannend. Wenigstens ein gutes Finale hätte Neal Davenport schreiben können. Aber nein, er löst die Situation für Coco mit einer Verkettung von Heftromanzufällen. Die Hexe hängt wehrlos in einem Spinnennetz fest. Da schleicht das Spinnenmonster genau so an ihr vorbei, dass sie ihm eine Kugel verpassen kann. Im Tode bricht es dann so glücklich zusammen, dass seine spitzen Beinchen das Netz zerreißen. Indes kämpfen die Brüder gegeneinander. Dann greift noch mehr oder weniger überraschend Olivaros Zombie ein. Er war ihr gefolgt. Sie hatte ihn total vergessen. Er hatte einen Auftrag erhalten, den er bedingungslos erfüllt hatte. Er killt Ezacharias Abadie. Schön.Der Spinnenküsser war tot. Eigentlich hätte sie Haiti verlassen können, doch irgendetwas hielt sie zurück. Sie wollte noch einen Tag bleiben. Vielleicht gelang es ihr doch, einige Informationen zu erhalten. Irgendetwas lag in der Luft, das hatten Barrabas Abadie und Beatriz da Costa behauptet. Davon erfahren wir aber hier nichts mehr, der Roman ist beendet.
Für mich war nicht viel dabei. An eigentlichem Abenteuer. Coco entgeht mit unfreiwilliger Hilfe Olivaros einer Falle, in die sie sich durch ihre Neugier selbst manövriert hat. Die Entwicklungen sind immer wieder durch seitenweise Beschreibungen des Magie-Kongresses und Dämonentreibens unterbrochen. Hätte sich Neal Davenport da zurück gehalten, wäre sicher auch eine packendere Geschichte drin gewesen. Außerdem stört mich Cocos Umgang mit Harald. Ja klar, Dorian ist auch kein Chorknabe. Aber deshalb muss die Hexe ihm doch nicht nacheifern. Oder lässt sie die sexuellen Belästigungen einfach über sich ergehen, weil Harry halt ein Kerl ist und nur seiner Natur nachgeht?
Solide (5 von 10 Freaks) und ein MITTEL.
PS. Ach ja. Mal wieder die übliche "Unstimmigkeit" zwischen den Altleser-Fans und mir.
Ich kann schon verstehen, dass der Roman Top ankommt, wenn man eher an der Schwarzen Familie als an einem Gruselfall der Woche interessiert ist. Da bekommt man durch die Beschreibungen wirklich einiges geboten.
https://gruselroman.fandom.com/de
Aktuelle Lesereihenfolge:
1. John Sinclair
2. Maddrax
Dieser Beitrag wurde schon 1 mal editiert, zum letzten mal von Talis am 06.08.2021 13:36.
Zitat:
Original von Weltenbummler
Volle Punktzahl für diesen Roman mit Leuchtturm-Charakter.
Der einzige Wermutstropfen: Ich dachte die ganze Zeit über, ich habe einen "Das Haus Zamis"-Roman gelesen ...
Coco Zamis übertrifft (für mich) als Figur Dorian Hunter um Längen. Obwohl der Vorroman auch gut war.
DWB
Ja, dieser erste Teil vom Coco Zamis-Zweiteiler, könnte auch in der "Das Haus Zamis" erschienen. Es war nach DK-Band 31 + 32 [DH 32 + 33] der nächste Zweiteiler, der der Gestalt der Coco Zamis gewidmet war. Leider gab es solche Solo-Abenteuer von Coco in diese Qualität in der Reihe nicht so oft....
Zitat:
Original von Das Gleichgewicht
PS. Ach ja. Mal wieder die übliche "Unstimmigkeit" zwischen den Altleser-Fans und mir.
Ich kann schon verstehen, dass der Roman Top ankommt, wenn man eher an der Schwarzen Familie als an einem Gruselfall der Woche interessiert ist. Da bekommt man durch die Beschreibungen wirklich einiges geboten.
Ich bin weniger am "Gruselfall der Woche" interessant, denn dann ich würde Larry Brent oder John Sinclair lesen. Ich möchte wissen, wie es in der Zyklen-Serie Dämonenkiller weitergeht.
Das Cover stellt für einen Spinnen-Phobiker aber schon eine echte Herausforderung dar Das war bisher der einzige Roman, den ich am Ufer eines Badesees so lesen musste, dass die umliegenden Erholungssuchenden das Titelbild nicht sehen müssen , und ich habe bei der Lektüre auch ständig über und um mich geblickt, ob sich da nicht etwas auf acht Beinen nähert...
Ich mochte den Roman, auch wenn ich den auch im Hause Zamis verortet hätte. __________________
Die Stimmung hat gut gepasst, die Romanheftzufälle finde ich eher gut, denn zu überzogen.
Da ich nicht weiß, in wie weit dieser Roman für den Zyklus eine Rolle spielt, kann ich auch nicht sagen, ob er 'überflüssig' im Serienkontext ist. Da mich sehr gut unterhalten hat, ist er es nicht
Der Auftritt Olivaros hat mir gefallen.
Ich bin nicht der Messias - Doch, du bist es. Ich muss es wissen, denn ich bin schon einigen gefolgt.