Jan Alexander: Tränen der Einsamkeit (Heyne Romantic Thriller Bd. 2016)

Das Setting ist nicht untypisch für dieses Genre (Waisenmädchen mit bester von der Tante finanzierter Ausbildung bekommt eine Anstellung als Gouvernante), und die Geschichte entwickelt sich auch in den üblichen Bahnen. Was diesen Roman allerdings von anderen "Gaslicht"-Werken unterscheidet, ist die Hinwendung zu einer tatsächlichen Geistergeschichte. Diese gelungene Überraschung ist hingegen nicht von langer Dauer, denn ab Seite 72 wandelt sich die bis dahin eigenständige Geschichte in eine nahezu unveränderte Nacherzählung des klassischen Gruselfilms The Uninvited/Der ungebetene Gast aus dem Jahr 1944. Und das geschieht in einer Deutlichkeit, dass man nicht mehr von einer Hommage, sondern einem unverschämten Plagiat sprechen muss. Ein wenig versöhnt dann noch das Ende auf drei Seiten, das eine unerwartete tragische und auch schockierende Wendung bringt und das sich abzeichnende romantische Finale jäh zerstört.

__________________
Nur der Mond schwamm immer noch leuchtend und wunderbar in den unermesslichen Weiten des funkelnden ukrainischen Himmels; ebenso majestätisch atmete die ungeheure Höhe, und die Nacht, die göttliche Nacht verglühte; ebenso schön lag die Erde im verzauberten Silberlicht.

Nikolaj Gogol: Die Mainacht oder Die Ertrunkene